Paul Chaim Eisenberg war von 1983 bis 2016 Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien. Als gerade einmal 33 - jähriger Rabbiner trat er nach Tätigkeiten und Ausbildungen in Jerusalem die Nachfolge seines Vaters an und ging im vergangenen Jahr in den Ruhestand. Vor über zehn Jahren schon hatte er in seinem Buch „Erlebnisse eines Rabbiners. Geschichte und Geschichten“ von seiner Arbeit erzählt und dabei ein Erlebnis geschildert, das mit all die Jahre in eindrücklicher Erinnerung geblieben ist und das sich seitdem auf schreckliche Weise immer wiederholt.
1996 diskutiert er mit einem Moslem und einem katholischen Theologen über das Thema „Abrahams Erben. Absoluter Wahrheitsanspruch versus interreligiösem Dialog – die drei monotheistischen Religionen im Gespräch“. Als er in den Saal kommt, denkt er, die an Kleidung und Kopfbedeckung erkennbaren moslemischen Fundamentalisten würden vielleicht ihm gegenüber aggressiv werden. Aber sie „unterbrachen häufig nicht mich, sondern den moslemischen Sprecher, der die gemäßigte Linie des Islam vertreten hat. Sie unterbrachen ihn besonders dann, wenn er Stellen aus dem Koran zitierte, die liberal klangen. Bei dieser Gelegenheit zitierten sie aggressivere, gegen Nichtmoslems eher unfreundliche Koranstellen. Ich habe daraus den Schluss gezogen, dass die gemäßigten Vertreter verschiedener Religionen einander manchmal besser verstehen als Menschen gleicher Religion, wenn es sich einerseits um gemäßigte und andererseits um fundamentalistische Vertreter dieses Glaubens handelt.
Man könnte noch schärfer formulieren: Die gemäßigten Vertreter sind sich darin einig, dass sie an einem Tisch sitzen könnten. Die extremen Kräfte sind sich einig darin, dass die anderen zu bekämpfen seien.“
Dass dabei für Eisenberg auch immer schon Witz, Selbstironie und Gelassenheit dazu gehören, zeigt er in dem nun bei Brandstätter erschienenen Buch „Auf das Leben!“, in dem er nicht nur von seinen reichen Lebenserfahrungen und vielen Begegnungen mit Menschen auch anderer Religionen erzählt, sondern viele jüdische Weisheiten diskutiert, die er mit ragen des Lebens und der Lgik des Talmud zusammenbringt.
Das Buch ist ein sehr persönlich gehaltenes, vom starken Glauben an das Kommen des Messias geprägtes Zeugnis, das gleichzeitig ein humorvoller Kompass für viele Fragen des Alltags darstellt - auch für Nichtjuden.
Paul Chaim Eisenberg, Auf das Leben! Witz und Weisheit eines Oberrabbiners, Brandstätter 2017, ISBN 978-3-7106-0162-0
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2018-01-24)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.