Befand sich bei der legendären Drogenrazzia in Keith Richards` Haus am 11. Februar 1967 tatsächlich ein Marsriegel zwischen Marianne Faithfuls Beinen? Wenn ja, war es ein Mars, Snikers oder ein Milky Way? Gar ein Lion Bar? Kit Kat? Gavin Edwards muss seine Leser leider enttäuschen, denn als er zwanzig Jahre die beschuldigte Marianne Faithful vor sein Mikrophon bekommt, leugnet diese den Chocolate Bar. Drogen? Ja! Aber keine Schokoladenriegel! So weit kommt`s noch… Dennoch wurden Mick Jagger und Keith Richards zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt und das obwohl man nur „vier Benzedrin und etwas Hasch“ bei ihnen gefunden habe, schreibt Edwards. Abgesessen hatten die beiden aber nur eine Nacht im Gefängnis und in dieser Nacht soll immerhin „20.000 Lightyears from home“ entstanden sein. Ein veritabler Hit würde man meinen, für den sich eine Nacht auf einer Pritsche schon lohnte, auch wenn 20.000 lightyears etwas als zu weit von zu Hause entfernt bezeichnet werden könnte, aber wahrscheinlich gab es im Gefängnis ja auch keine Schokoladenriegel, da bekommt leicht Heimweh…
Eine weitere Verschwörungstheorie bezüglich des legendären Pink Floyd Albums „Dark Side of the Moon“ wird von Gavin Edwards Lügen gestraft. Auch wenn man den Film „Der Zauberer von Oz“ mit dem Album gleichzeitig abspiele, ergäben sich nur zwangsläufig Übereinstimmungen in der Ton/Bild-Schere. Das menschliche Bewusstsein suche nämlich automatisch nach Gemeinsamkeiten, auch da, wo gar keine wären. Dazu müsse man sich übrigens nicht mit Drogen voll pumpen, wie Edwards schreibt, denn auch nüchtern könne man feststellen, dass das Gehirn gerne Zusammenhänge herstelle, wo plumpe Zufälle regierten. Dennoch ist verblüffend, wie manche Beispiele, die Edwards aufzählt, tatsächlich funktionieren, etwa bei „The Great Gig in the Sky“, dem Instrumentalsong, bei dem Clare Torrys Stimme einem kalte Schauer über den Rücken jagt. Der Song laufe während der Tornadoszene und endet ungefähr als Dorothys Haus in Oz landet. Wer möchte kann dieses Experiment übrigens auch selbst durchführen, der alternative Soundtrack von den Floyd macht sich allemal besser als die deutsche Synchronfassung und mit der vom Autor empfohlenen Droge „Wick MediNait“ lässt sich bestimmt gut und friedlich dazu einschlummern…
Ein ganz anderes Ninna-Nanna wird allerdings von dem harten Junge aus L.A. angeschlagen. Axl Rose habe in seiner Jugend anscheinend mit Depeche Mode rumgehangen, diese fanatisch verehrt (wer jetzt noch nicht lachen muss, dem kann nicht geholfen werden) und ihnen sogar eines Abends seine Version von „Somebody“ vorgesungen, sicherlich nicht als Ninna-Nanna. Als er diese zuerst in eine Heavy-Metal-Kneipe mitnahm und danach zu einem Barbecue-Fest einlud, wo er angeblich eine Sau erschossen habe, wurde es den bekennenden Vegetariern von Depeche Mode aber doch etwas zu viel mit dem L.A.-Rabauken und sie kündigten ihm die Freundschaft. Wer Schweine zum Spaß erschießt, kann das ein echter Depeche Mode Fan sein?
Haben die Beatles LSD durch ihren Zahnarzt kennen gelernt? Nachdem es sich damals um ein einfaches Medikament gehandelt hatte ist auch diese Verschwörungstheorie nicht ganz von der Hand oder besser vom Zahn zu weisen. George Harrison distanzierte sich aber bald von dem blöden Verhalten der anderen auf LSD und sprach davon, dass sich auf diese Weise sicherlich keine „wahre Erleuchtung“ erreichen ließe, außer vielleicht bunte Farben und Lichter wie bei Alice im Wunderland zu sehen. Aber die Beatles waren ohnehin mehr an Orden der Queen interessiert, die sie auf dem Album „Sgt. Pepper`s Lonely Heart Club Band“ auch noch stolz auf ihrer Brust trugen. Außer natürlich der Widerspenstige Halbintellektuelle John, der wie immer aus der Reihe tanzen musste: er schickte den gerade erst verliehenen Orden an die Queen mit dem Vermerk zurück: „Ihre Majestät, ich gebe diesen MBE (Member of the Order of the British Empire, JW) zurück aus Protest gegen die Verwicklung Großbritanniens in die Nigeria-Biafra-Angelegenheit, gegen unsere Unterstützung der Amerikaner im Vietnamkrieg und dagegen, dass Cold Turkey in den Charts gefloppt ist. Mit freundlichen Grüßen, John Lennon.“ Humor hatte er immerhin. Auch ganz ohne LSD.
Weitere Geheimnisse lüftet und weitere Gerüchte verbreitet der Rolling Stone Kolumnist Gavin Edwards in seinem erstmals auf Deutsch erschienen Buch, das mit Illustrationen von Jana Moskito auch den härtesten Rockfan erweichen wird und zu einem gelassenen Schäferstündchen ins Bett zurücksinken lassen wird. Die amüsanten und kurzweiligen Geschichten beruhen auf Leseranfragen an die amerikanische Zeitschrift Rolling Stone und werden von Gavin Edwards mit aller notwendigen Ernsthaftigkeit beantwortet. So ernst man eben bei dieser Art von Anfragen eben bleiben kann: „Wer ist die Butter Queen aus `Rip this Joint´? War Marvin Gay süchtig nach Pornos? Wer sind die Plaster Casters? Was waren Elvis Presleys sexuelle Vorlieben?“ Vergnügliche Stündchen garantiert.
Gavin Edwards
Do you want to know a secret?
Die größten Geheimnisse, Mythen und Gerüchte der Rockwelt
deutsch
2009
Schwarzkopf und Schwarzkopf
219 Seiten
Illustrationen von Jana Moskito
ISBN: 978-3-89602-900-3
14,90.-€
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2009-07-18)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.