Mit der Vereinigung Deutschlands im Jahr 1990 bekam der Boxsport einen neuen Schub. Tausende exzellent ausgebildete Amateurboxer aus der ehemaligen DDR und später aus anderen osteuropäischen Ländern suchten ihr Domizil in deutschen Boxställen, um eine Karriere im Profisport zu beginnen. Viele davon hatten Erfolg, eine direkte Übertragung ihrer Erfahrungswelten fand jedoch nicht statt. Die saubere, institutionalisierte Schule der ehemals sozialistischen Länder brachte einen anderen Typus des Boxers hervor, als das vorher im Westen, vor allem im durch die USA geprägten Profisport der Fall war. Sauber kämpfende, aus durchaus normalen sozialen Verhältnissen stammende Boxer, die von Training und Einstellung her exzellent eingestellt waren, stießen auf Underdogs, die aus dem Ghetto kamen und immer noch etwas hatten, das man in Fachkreisen denen aus dem Osten absprach: Killerinstinkt.
Matthias Eckoldts präzise und schnell daher kommender Roman gewährt einen Einblick in das Universum der sozialistisch geprägten Boxwelt, die im Westen Fuß fasste und durchaus große Erfolge aufzuweisen hat. Das Besondere an Eckoldts Roman ist jedoch, ihn aus der Perspektive des Trainers zu erzählen. Die Handlung ist einfach und das Problem schnell ausgemacht: Toni, ein ehemaliger DDR-Boxer und jetziger Trainer, hat zwei Schützlinge, die er beide nach oben bringen will. Alex aus gutem Hause, der als Halbschwergewichtler schon Erfolge erzielt hat und durch das schnelle Geld ins Schlingern geraten ist und Rico, der quasi als Weise in Tonis Hände kam und eigentlich zwei Klassen unter Alex boxt. Als der, wie sollte es anders sein, skrupellose Boxmanager Bornemeyer, natürlich ein typischer Westler, Toni anbietet, Alex durch einen Kampf gegen Rico wieder aufzubauen und damit egal bei welchem Ausgang die Option zu haben, weiter Geld zu verdienen, kommt Toni in einen Konflikt, der letztendlich ihn, den Trainer, zu Boden schickt.
Trotz großer Zweifel entscheidet sich Toni für die Betreuung Alex, der im ungleichen Kampf Rico den Unterkiefer bricht. Als die Ecke Ricos, seinerseits unterstützt durch einen Trainer aus der Bronx, nicht ans Aufgeben denkt, wirft der bereits alkoholisierte Toni das Handtuch, um Rico zu retten. Toni verliert den Vertrag und erliegt dem Suff, allein gelassen von seiner Frau und den ehemaligen Schützlingen. Eine Perspektive gibt es nicht, es waren seine letzten Tage.
Eckoldts Roman ist ein gelungener Versuch, das heutige Boxen aus überalterten Klischees zu holen und ihm einen der Entwicklung entsprechenden Realismus zukommen zu lassen. In seiner technischen Perfektion entspricht er aber auch dem Bild, das aus der osteuropäischen Amateurwelt stammt, das Fundamentale, Existenzphilosophische, hat darin keinen Platz mehr, was viele Bedauern werden, deren Faszination gerade sich aus dieser Perspektive speist. Sehr gut geschrieben, wenig Seele.
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2011-02-26)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.