„La dolce vita“, das süße Leben: das ist nicht nur der Inbegriff der italienischen Lebenskultur schlechthin, sondern auch der Titel eines Filmes von Federico Fellini aus dem Jahre 1960, verfilmt mit der unvergleichlichen Anita Ekberg und dem noch einzigartigeren Marcello Mastroiani. Die vorliegende Publikation aus der Reihe „Earbooks“, Bücher zum Hören und Staunen, Lesen und Betrachten, bietet nicht nur mehr als 100 großformatige Fotos aus dem Leben der „Haute-Volée“ der Fünfziger Jahre in Rom, sondern auch zwei CDs. Die erste beinhaltet den kompletten Soundtrack des Filmes, der von Nino Rota zu Fellinis Bildern komponiert wurde. Die zweite CD hingegen ist ein Mix von 15 Liedern aus den Fünfziger und Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Darunter nicht nur Celentano oder Marino Marini, sondern auch der unvergessliche Fred Buscaglione mit „Guarda che luna“: Schau, was für ein Mond! Schau, was für ein Meer: verrückt nach Liebe, ich wollte ich könnte sterben…“. Oder auch Claudio Villa mit „Arrividerci Roma“, Abschied nehmen von Rom, aber nicht, ohne eine Münze in den Trevi-Brunnen geworfen zu haben.
Eine kleine Engländerin…
“T'invidio turista che arrivi,/t'imbevi de fori e de scavi,/poi tutto d'un colpo te trovi/fontana de Trevi ch'e tutta pe' te!”, singt letzterer in seiner Hymne an die Stadt, in der er die Touristen beneidet, für die der Trevi-Brunnen die alte römische Legende bereithält, dass wer immer eine Münze darin hineinwerfe, wieder nach Rom zurückkehre. “Arrividerci Roma” habe auch eine Engländerin zu ihm, dem Erzähler, vor dem Brunnen einst gesagt, da wo er sie geküsst habe, aber sie werde wiederkommen, denn sie habe ja eine Münze hineingeworfen – so zumindest glaubt er eine gute Weile lang. Ein paar Strophen weiter, klingt der Protagonist aber schon etwas verbitterter: “Arrivederci, Roma.../Non so scordarti più.../Porto in Inghilterra i tuoi tramonti, porto a Londra `Trinità dei monti´/porto nel mio cuore i giuramenti e gli "I love you!"”. Ob diese Reise dann je stattfand, das muss sich der Zuhörer aber dann doch selber ausmalen, die Engländerin war in Fellinis Fall allerdings ohnehin eine Dänin, und sie warf auch keine Münze in den Brunnen, sondern gleich ihren ganzen Körper.
Nachts um zwei in Rom
Anita Ekberg, die eigentlich außer in „Intervista“ (1986, R:Fellini) keine wesentlichen Rollen mehr verkörperte, schmückt auch das Cover der hier vorliegenden Earbook-Publikation, die dem im Film zitierten mondänen Leben auf der römischen Straße „Via Veneto“ in den Fünfzigern huldigt. Doch selbst dieses Leben war eigentlich eine Erfindung, denn Fellini drehte nicht nur am Originalschauplatz, sondern auch in den Filmstudios von Rom, der Cinecittà: die Drehgenehmigung bekam selbst ein Fellini damals nur für nachts ab zwei Uhr. Und da waren selbst in der mondänsten Straße Roms alle Katzen nur mehr grau. Seinen ersten Filmauftritt hatte in Fellinis Film übrigens auch der damals noch völlig unbekannte Adriano Celentano als Rockmusiker, und zwar in der Szene des Festes in den Caracallathermen. Weiters im Bilde: die Sängerin Nico, beim Fest auf dem Schloss der della Rovere. Sie sollte später mit den legendären New Yorkern „The Velvet Underground“ Furore machen.
Hollywood am Tiber
Außer für Fellini und Mastroianni begann die Karriere aber auch für Anouk Aimée, Yvonne Furneaux und Alain Cuny. Eigentlich wurde die Straße aber erst durch den Film so richtig bekannt und das dokumentieren auch die Fotos in „La dolce vita- Earbooks“. Fast alle Fotos wurden im Freien gemacht, denn die Stadt war die Bühne, die Straße, das Café, der Bordstein: hier inszenierte sich eine neue Gesellschaftsschicht, die es gerade erst zu etwas gebracht habe. Besonders Besucher der Siegermacht USA scheinen Rom damals geliebt zu haben, neben den oben bereits erwähnten lokalen Stars, zeigt das Earbook auch Bilder von Charlton Heston aus besseren Tagen, Jayne Mansfield, Audrey Hepburn, Frank Sinatra, Liz Taylor, Dean Martin und vielen anderen, darunter auch die junge Brigitte Bardot oder Jane Fonda und Roger Vadim, der seine damalige Frau in „Barbarella“ (1968) verewigt hatte. Der Zweite Weltkrieg war lange genug her, um endlich auch das Leben so richtig genießen zu können und wo gelänge dies besser als in Rom?
Earbooks
La dolce vita – The Golden Age of Italian Lifestyle
[*] Diese Rezension schrieb: Juergen Weber (2011-12-11)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.