Am 31.10.2016 begann in der protestantischen Kirche Deutschlands ein Festjahr, das mit der 500. Wiederkehr des Anschlags der 95 Thesen Martin Luther an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg am 31.10.2017 seine abschließenden Höhepunkt finden wird.
In vielen Gottesdiensten, Predigten und Vorträgen wird es darum gehen, die Aktualität der reformatorischen Erkenntnisse Luthers zu evaluieren und zu fragen, wie aktuell seine Theologie ist und wie sie weiter entwickelt werden muss um ihren ursprünglichen Anliegen Rechnung zu tragen.
Schon seit Monaten löst auf dem Büchermarkt eine Veröffentlichung die anderen ab, in denen manchmal eher wissenschaftlich-theologisch, manchmal ehr populär-theologisch die Reformation zum Thema gemacht wird. Auch katholische Autoren zögern nicht, zur Aktualität von Luthers Theologie Stellung zu beziehen.
Unter ihnen ragt der von der katholischen Amtskirche sanktionierte Theologe und Psychotherapeut Eugen Drewermann mit der vorliegenden Publikation des Herder Verlages heraus.
In einem langen Gespräch, das er mit dem Journalisten Jürgen Hoeren, der schon ähnliche Bücher nicht nur mit Drewermann, sondern auch mit Hans Küng und Kardinal Lehmann publizierte, führte, spricht der belesene und unorthodoxe Drewermann über den Reformator und seinen Glauben. Immer wieder – sehr lutherisch – auf die Bibel und ihre Traditionen bezogen, macht er die Lebensgeschichte und die Botschaft Martin Luthers plausibel.
In drei Hauptkapiteln gehen Hoeren und Drewermann systematisch vor:
• Was bedeutet Luther?
• Der Kern: das dreimalige „Allein“
• Religion und Gesellschaft
Durch den natürlich für die Druckfassung überarbeiteten Gesprächscharakter ist das über 330 Seiten starke Buch sehr verständlich, auch für den theologischen Laien. Doch gerade für einen protestantischen Theologen ist es voller überraschende rund neuer Einsichten und Ansichten.
Ein Buch voller reformatorischer Freiheit, theologisch fundiert und voller Leidenschaft für die Botschaft, deren Verkündigung der Kirche aufgetragen ist. Es atmet einen frischen ökumenischen Geist.
Und man fragt sich beim Lesen, warum die katholische Kirche solch einen intelligenten und erfrischenden Theologen im Bann hält.
Eugen Drewermann, Luther wollte mehr, Herder 2016, ISBN 978-3-451-37566-8
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-11-07)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.