„Das einzige was mir wirklich Angst macht, ist Ruhe…Darum muss man Gas geben, wenn es läuft…Bloss nicht den Schwung verlieren, selbst wenn es wahrscheinlich nichts bringt.“ Der Defätist, der hier spricht, ist nicht etwa ein vom Weg abgekommener Kleinkrimineller, sondern Pierre Dragon, Mitglied einer verdeckten Polizeieinheit, der RG (Renseignements Generaux), der einen etwas zerknautschten Ermittler abgibt. Das Pseudonym ist nicht zufällig gewählt, schließlich kämpft er als „Siegfried“, seinem Spitznamen bei seinen Kollegen, gegen die bösen Drachen, darunter Terroristen, Menschenschmuggler und andere Ganoven. Seine Achillesferse – oder sollte ich sagen, das Blatt auf seiner Schulter - dabei sind sicherlich die schönen (deutschen) Frauen, durch die - wenn nicht seine Mission - so doch sein Privatleben lebensgefährlich verletzt werden könnte. Der sympathische Bulle mit dem Ananasgesicht war nämlich einmal verheiratet und als ihn der Freund seiner Ex-Frau besucht, geht er gar nicht zimperlich mit ihr um.
Die Geschichte und erste Episode spielt natürlich in Paris im Jahre 2003 und die Ermittler um Dragon haben den undankbaren Job einer Personenüberwachung bekommen. Zähe Stunden mit dem Fernglas in der Hand vergehen, bis endlich etwas passiert, haben sich die Kollegen über allerlei interessante Dinge unterhalten, natürlich auch über Frauen, die auf Männer mit Waffen stehen, eine Theorie, die besonders in Polizeikreisen häufige Verbreitung findet und sich hartnäckig als Gerücht hält, bis sogar die deutsche Kollegin dem Charme des Franzosen erliegt. „Warum bin ich eigentlich so gut in meinem Job“, fragt sich Pierre selbstironisch, „Ganz einfach, ich sehe nach nichts aus. Besser gesagt, ich sehe nach allem möglichen aus: Jude, Araber, Iraner, Russe, Baske, Korse, sogar Peruaner, wenn es sein muss“. Sprach’s und ging direkt auf die Hauptverdächtigen zu, um mit ihnen einen Deal über gefälschte T-Shirts abzuwickeln. Pierre Dragon ist ein Mann der Tat, ganz so wie Siegfried, und dabei gar nicht zimperlich. Der Mann für`s Grobe halt.
Als er einer Polizei-Kollegin auf die Schliche kommt, dass sie ein Verhältnis mit einem der Terroristen hat, nimmt er sie gleich selbst in die Mangel und erreicht das Maximum an Aufmerksamkeit, das eine Frau einem anderen Mann, der nicht ihr Freund ist, zu gewähren gewillt ist: sie beschimpft ihn unflätig und muss doch machen, was er ihr gesagt hat. Schließlich geht es um die nationale Sicherheit und nicht um ihr Privatleben. Aber auch im Umgang mit dem amerikanischen Botschafter in Paris, weiß Pierre Dragon an der richtigen Strippe zu ziehen und ist nicht um gute Einfälle verlegen, an sein Ziel zu kommen. Beziehungen zum DGS (Direction Generale de la Securite Exterieure, dem französichen BND) sind für Pierre kein Problem, man kennt sich noch aus den Zeiten der Fremdenlegion. Die Observation führt ihn schließlich auch auf einen Empfang des saudi-arabischen Königshauses und auch hier trifft man alte Bekannte, die eigentlich gar nicht dort sein sollten.
Wenn Pierre Dragon dann griesgrämig mit einer Whiskeyflasche im Arm im Bett liegt und auf die Mattscheibe schaut, wird einem der kantige Charakter richtig sympathisch. Immer wieder werden auch Erinnerungsszenen aus seiner Kindheit eingeblendet, die seinen Weg zum Polizisten ironisieren, ohne ihn dabei zu sehr auf die Schaufel zu nehmen. Schließlich zeigt auch gerade der neue Hollywood-Blockbuster „Brooklyn`s Finest“, was die Herren der Polizei für die Gemeinschaft leisten und welchen harten Prüfungen an Loyalität zum Beispiel, sie dabei ausgesetzt sind. Dass für diese Männer ein ausgeglichenes Privatleben quasi unmöglich ist und sie wirklich für ihren Job leben und sterben, zeigt sich mit viel Sympathie auch in vorliegendem Comic, der auf einer wahren Grundlage basiert. Pierre Dragon gibt es nämlich wirklich und er „erzählt seine Geschichten aus seinem Dienstalltag, die zwar so nicht passiert, die aber genau so hätten passieren können“. Man kann nur hoffen, dass auch in der Realität das vermeintlich Gute siegt. Der kauzige Pierre Dragon ist jedenfalls ein sympathischer alter Haudegen, dem man noch so manches wird zutrauen müssen. Teil 2 darf also mit Spannung erwartet werden.
Pierre Dragon/Fredrik Peeters
RG - Verdeckter Einsatz in Paris
Teil 1: Riad an der Seine
Mit einem Vorwort von Joann Sfaar