Biographien Rezensionen Diskutieren im versalia-Forum Das versalia.de-Rundschreiben abonnieren Service für Netzmeister Lesen im Archiv klassischer Werke Ihre kostenlose Netzbibliothek

 


Rezensionen


 
Fjodor Dostojewskij - Schuld und Sühne
Buchinformation

"Bruder, was tust du unserer Mutter an!" Rodion Romanowitsch Raskolnikow ermordet in der "gewaltigen Hitze" eines Petersburger Julis in den Sechziger Jahren des vorvorherigen Jahrhunderts die Pfandleiherin Aljona Iwanowa. Er ist ein Student der Rechtswissenschaften und hat sogar schon einen Artikel zum Thema verfasst, der die Grundlage zu seiner Doktorarbeit werden könnte. Aber der Mord kommt ihm dazwischen, zumal aus einem bald ein Doppelmord wird. Aljona und Lisaweta Iwanowa sterben unter seinen Axthieben.

Ein mörderischer Jurastudent im Petersburg des 19. Jahrhunderts

Dabei hat Rodion sogar Familie, eine Mutter, Pulcheria Raskolnikowa, und eine Schwester, Awdotja Romanowna, die ihn in Petersburg aufsuchen, um ihm die freudige Mitteilung über die Vermählung der Schwester persönlich mitteilen zu können. Aber genau diese Heirat will Rodion eigentlich verhindern. Ist das das Motiv, das ihn zum Mörder macht? Jedenfalls geht auch nach gut 800 Seiten Roman nicht klar ein Motiv hervor, es sei denn man liest sie sehr aufmerksam durch. Denn es geht bei weitem nicht nur um Rodion in diesem packenden Roman, der seinem Verfasser Weltruhm einbrachte. Mit Akribie und in packenden Dialogen - einige davon arten auch zu Monologen aus - beschreibt Dostojewskij das Leben des gescheiterten Taugenichts, der versucht seine Theorie vom Übermenschen selbst auszuprobieren. Dabei hätte es eigentlich ein Werk über Alkoholismus werden sollen, wie Birgit Harreß im Nachwort erwähnt. Am Beispiel des Titularrats Marmeladow kann Dostojewskij das Thema aber dennoch gut in seinem Werk über einen Mörder unterbringen. Aber selbst der Mörder ist nicht einfach nur ein Mörder, denn er rettet zum Beispiel ein mißbrauchtes Mädchen vor einer erneuten Vergewaltigung durch einen Polizisten oder lässt der Witwe Marmeladows das einzige Geld zukommen über das er noch verfügt (arm wie er ist, kommt es von seiner Mutter). Raskolnikow hat aber nicht nur eine Familie, sondern auch einen guten Freund, Rasumichhin, der ihn unterstützt und verehrt. Und dennoch versteckt er eines Tages ein Beil unter seinem Paletot und geht in die Wohnung der Pfandleiherin. Nach dem Mord wird ihm ein Haken beinahe zum Verhängnis, denn der Haken ist der Haken von Iwanownas Wohnungstüre.


Liebe als Lazarusbeschleuniger

Mit seinem Freund Rasumichin verwickelt sich Raskolnikow auch gerne in Diskussionen, zum Beispiel über seinen in der "Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst" erschienen Artikel. Raskolnikow unterscheidet darin zwischen zwei Klassen von Menschen: der Masse und der daraus herausragenden. Aber letztere sind gefährlich. "Es ist sogar beachtenswert, dass die allermeisten dieser Wohltäter und Führer der Menschheit skrupellos Ströme von Menschenblut vergossen haben." Als Beispiel für sein Jahrhundert nennt Raskolnikow im Namen Dostojevskis Napoleon I. Aber auch im Umfeld Raskolnikows selbst befindet sich ein solcher. Arkade Iwanowitsch Swidrigailow, ein Gutsbesitzer bei dem Raskolnikows Schwester Awdotja als Gouvernante arbeitete und schwer gekränkt wurde. Dostojevski hat mit "Schuld und Sühne" nicht nur den ersten Kriminalroman seiner Epoche geschrieben, sondern auch einen, der in moralische Abgründe lotende philosophische Fragen artikuliert. Auch die Träume Raskolnikows spielen eine große Rolle für die Entwicklung des Romans und zeugen von tiefenpsychologischer Beschäftigung des Autors. "Ist das wirklich noch eine Fortsetzung des Traumes?", ruft Raskolnikow an einer Stelle. Von der Prostituierten Sofja, der Tochter der Marmeladows, lässt er sich die Lazarus-Stelle aus der Bibel vorlesen, bis ihn der Ermittler Porfirio Petrowitsch endgültig enttarnt und ihn zu einem Geständnis überreden will. Aber wie sich Raskolnikow entscheidet, wird hier natürlich nicht verraten. Nur soviel: die Liebe ermöglicht die Wiedergeburt. Gerade dann wenn man mit erst 23 Jahren schon zwei Morde hinter sich hat. Schuld und Sühne erschien erstmals von Januar bis Dezember 1866 in der Moskauer Zeitschrift Russki westnik (Der russische Bote).

Dostojewskij, Fjodor: Schuld und Sühne
Roman
Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen, Literaturhinweisen und Nachwort
Übers.: Röhl, Hermann
Nachw.: Harreß, Birgit
2021, Broschur, 891 Seiten
ISBN: 978-3-15-002481-2
Reclam Verlag

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2022-01-08)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


-> Möchten Sie eine eigene Rezension veröffentlichen?

[ weitere Rezensionen : Übersicht ]

 

Anmelden
Benutzername

Passwort

Eingeloggt bleiben

Neu registrieren?
Passwort vergessen?

Neues aus dem Forum


Gedichte von Georg Trakl

Verweise
> Gedichtband Dunkelstunden
> Neue Gedichte: fahnenrost
> Kunstportal xarto.com
> New Eastern Europe
> Free Tibet
> Naturschutzbund





Das Fliegende Spaghettimonster

Ukraine | Anti-Literatur | Datenschutz | FAQ | Impressum | Rechtliches | Partnerseiten | Seite empfehlen | RSS

Systementwurf und -programmierung von zerovision.de

© 2001-2024 by Arne-Wigand Baganz

v_v3.53 erstellte diese Seite in 0.009255 sek.