Wieder haben die Späher des Thiele Verlag im Süden Europas ein wunderschönes Buch entdeckt und sich dazu entschlossen es in Deutschland zu veröffentlichen. Anja Rüdiger hat es aus dem Spanischen gut übersetzt, und so können die Leser über etwa 400 Seiten ein außerordentliches literarisches Debüt von Angeles Donate verfolgen. Ein Romandebüt, in dem es um die Macht der Liebe geht, um die Kunst des Briefeschreibens und um das Geheimnis, wie das Schreiben von Briefen Erkenntnis bringen kann, über sich selbst und über andere.
Es beginnt damit, dass in einem kleinen spanischen Dorf namens Provenir die für dieses Dorf seit vielen Jahren zuständige Briefträgerin und Leiterin der Poststelle, Sara, von ihrer vorgesetzten Behörde einen Brief bekommt. Ihr wird mitgeteilt, dass das über einhundert Jahre alte Postamt bald geschlossen werden soll, und Sara nach Madrid versetzt werden wird.
Für die alleinerziehende Mutter von drei Kindern ist diese Nachricht eine Katastrophe. Aber auch für ihre achtzigjährige Nachbarin Rosa wäre das furchtbar, denn sie hat in Sara und ihren Söhnen eine Art Familie gefunden, an der sie seit langem hängt und die ihr so etwas wie Schutz und Geborgenheit im Alter gibt.
Es dauert nicht lange, da hat Rosa eine zündende Idee. Wenn sie das Briefaufkommen im Ort steigern könnte, dann würde die Post vielleicht von der Schließung der Filiale absehen, und Sara könnte ihren Job behalten. Also setzt sie anonym eine Briefkette in Gang und beginnt mit einem Brief an ihre ehemalige Schulfreundin Luisa, der sie schon längst einmal schreiben wollte, aber nie dazu kam. All ihre Gedanken bringt sie zu Papier, insbesondere die, die sie schon seit Jahren quälen und von denen sie nicht loskommt.
Doch dieser Brief wird nicht von Luisa gelesen, sondern von ihrer Enkelin Alma, die nur kurz nach dem geerbten Haus ihrer Oma schauen will und, so wird sich zeigen, nicht nur durch den anonymen Brief für länger in dem kleinen Ort gehalten wird.
Während die Briefkette mit manchen längeren Pausen weitergeht, lernt der Leser weitere bisher sozusagen im Schatten des Dorfes lebende Menschen und ihre Lebensgeschichten kennen. Eine alte Dichterin, eine Telefonsexanbieterin, ein junger Mann, der seinen Vater pflegt und viele weitere. Und Sara wundert sich über die vielen zusätzlichen Briefe, weiß aber lange von nichts und tröstet sich mit dem Chatten mit ihrem Jugendfreund, der auf einer Bohrinsel in der Nordsee arbeitet. Noch!
Angeles Donate verbindet über die Briefe, die zunächst völlig beziehungslos durch das Dorf gesendet werden, Geschichten und Schicksale von ganz konkreten Menschen miteinander und fügt sie ein in eine lineare Handlung, die den Leser nicht nur immer wieder zu Tränen rührt, sondern auch gespannt darauf warten lässt, was nun als nächstes passiert und wie die Geschichte mit der Postfiliale nun ausgehen wird.
In einem dramatischen Höhepunkt erhält Sara neununddreißig anonyme Briefumschläge, in jedem ein Zitat eines Dichters über die Liebe, eines schöner und wahrhaftiger als das andere. Und dann kommt ihr 40. Geburtstag mit einer Riesenüberraschung….
Ein schönes Buch, ein Roman über die Liebe und die Kraft des geschriebenen Wortes, ein Buch darüber, wie Menschen sich ihrer Vergangenheit stellen und sich wieder von ihr lösen, bereit und fähig für eine bessere Zukunft. Ein Buch über die Liebe, ohne Kitsch. Ein leidenschaftliches Buch über die Kunst des Briefeschreibens. Wann haben Sie sich zuletzt darin geübt?
Angeles Donate, Der schönste Grund, Briefe zu schreiben, Thiele Verlag 2016, ISBN 978-3-85179-341-3
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-03-15)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.