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Anthony Doerr - Memory Wall
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Doerr, Anthony:
Memory Wall

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(Bücher frei Haus)

Sein mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneter Roman „Alles Licht; was wir nicht sehen“ war, ebenfalls bei C. H. Beck in München veröffentlicht, auch in Deutschland ein großer Erfolg.
In einer schönen, stellenweise poetischen Sprache verknüpfte er damals zwei Erzählstränge mit zwei Hauptpersonen und beschrieb sie auf eine Weise, die dem Leser ans Herz ging. „Alles Licht, das wir nicht sehen“ war große Literatur, die gleichzeitig zu unterhalten wusste und etwas erzählte von jungen Menschen, die sich trotz des Elends des Krieges ihre Hoffnung auf Licht, auf Zukunft und auf Liebe nicht zerstören lassen wollen.

Verständlich, dass ein Verlag auf dieser Welle dann etwas Älteres vom Autor nachschiebt, bevor der neue Roman fertig ist. „Memory Wall“ ist eine Erzählung, die einem gleichnamigen Erzählungsband mit mehreren Prosastücken entnommen ist, die in den USA im Jahr 2010 schon erschienen ist. Aber weil sich Erzählungsbände hierzulande gar nicht gut verkaufen, (in den U SA schätzt man dieses Genre viel mehr)hat man die Titelstory ausgewählt, ihr die Bezeichnung „Novelle“ verliehen und sie in einer Hardcoverausgabe dem Publikum präsentiert.

In dieser Erzählung geht es um unsere Erinnerungen und ihre Bedeutungen für unser Leben. Denn was wir sind, wird nicht unwesentlich auch von dem beeinflusst, was wir erlebt haben und wie wir uns daran erinnern. Unsere Erfahrungen helfen uns, uns in der immer komplexeren Welt zurechtzufinden und die entsprechenden Entscheidungen zu treffen. Wenn nun, wie einer dementiellen Erkrankung diese Erinnerungen an persönliche Erfahrungen oder wie wir bestimmte Probleme des Alltags bewältigt haben, verdampfen, dann löst das Angst aus.

Die 74 - jährige Alma Konachek leidet an Demenz. Sie lebt in Kapstadt und wird von Pheko, der mit seinem Sohn in einer Armensiedlung lebt, seit vielen Jahren gepflegt. Seit vielen Jahren auch ist sie in Behandlung in einer Klinik, die ein Verfahren entwickelt hat, die Erinnerungen konservieren kann.

Durch eine Operation werden ihr dort vier Ports in den Schädel implantiert, die mithilfe eines Stimulators und zahlloser Kassetten mit Einzelerinnerungen das Vergessen verlangsamen sollen. Bezeichnenderweise trägt der verantwortliche Arzt den Namen Dr. Amnesty. Erinnerungen zu verlieren, kann vereinzelt auch eine Begnadigung sein. Sie selbst sagt: „Es gab Zeiten, in denen ich glücklich war, und andere, in denen ich es nicht war. Wie alle Menschen. Zu sagen, jemand sei ein glücklicher Mensch oder ein unglücklicher Mensch, ist lächerlich. Wir sind in jeder Stunde tausend verschiedene Menschen.“

Almas verstorbener Ehemann Harold hat im Alter eine Leidenschaft für Fossilien entwickelt, die Alma suspekt war. Bei einer seiner Touren erleidet Harold in Begleitung seiner Frau einen Herzinfarkt und stirbt. Nur noch Pheko kümmert sich nun um die alte Frau, die auf einer „Memory Wall“ in ihrem Zimmer mit immer weniger Erfolg versucht, über ihre Erinnerungen und ihr Leben den Überblick zu behalten.

Auf eine dieser Erinnerungen haben es Roger und sein junger Helfer Luvo abgesehen. Es geht nämlich die Kunde, dass Harold auf seiner letzten Erkundungstour ein überaus seltenes Fossil entdeckt haben soll, und vor Schreck über diesen Fund an Ort und Stelle gestorben ist.

Viele Nächte hintereinander brechen Roger und Luvo bei Alma ein und Luvo, dem Roger auch die entsprechenden Ports hat ins Gehirn pflanzen lassen (sein sicheres Todesurteil) versucht, lange ergebnislos, die Kassette zu finden, die diesne Fund dokumentiert.

Die Zeit wird knapp für die beiden, denn Alma soll in Heim und das Haus soll verkauft werden. Wenige Tage davor erschießt Alma Roger und Luvo findet die entscheidende Kassette. Er macht sich auf den Weg, findet tatsächlich das Fossil und krönt sein kurzes Leben mit einer sehr menschlichen Tat…

Eine schöne, sprachlich gelungene Erzählung, die den Leser mit den Gedanken zurücklässt, ob die Vorstellung, unsere Erinnerungen könnten tatsächlich auf Kassetten gespeichert werden, um sie bei Bedarf (nicht nur im Falle der Demenz) abrufen zu können, wirklich so prickelnd ist. Ich finde sie erschreckend. Es würde uns Menschen verführen, immer wieder aus der Gegenwart zu fliehen, statt sich ihr zu stellen.

Antony Doerr, Memory Wall, C.H. Beck 2016, ISBN 978-3-406-68961-1

[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-03-10)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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