Erschienen ist der Roman erstmals 1962. Muss man das heute noch lesen, wurde ich gefragt. Nein, man muss nicht, aber man kann und darf.
Die Herrschaften im Titel sind nicht das echte fränkische Königsgeschlecht, sondern deutsche Adlige aus Franken. Doderer deutet das Unwahrscheinliche an: Sie könnten tatsächlich von Chlodwig abstammen. Diese Merowinger des 20. Jahrhunderts besitzen ein Stadtpalais in Würzburg und ein Landgut außerhalb sowie rentable überseeische Wertpapiere. Sie heiraten auch Bürgerliche und haben noch immer eine ausgeprägt kriegerische Ader. Chef des Familienclans ist Childerich III.. Er hat eine spezielle Marotte: Durch ein aberwitziges System von Heiraten und Adoptionen will er alle nur denkbaren Verwandtschaftsgrade in seiner eigenen Person vereinen. La famille, c’est moi! Dieses Streben nach familiärer Totalität ruft die verwandten „Karolinger“ auf den Plan. Es kommt zum Stammeskrieg, am Ende wird Childerich entmannt.
All das enthält viel drastische Komik. Sie hat etwas Gewaltsames, zumindest leicht Gezwungenes. Man müsste dieser Teile wegen das Buch noch nicht lesen. Der Erzähler nimmt Partei für den abtretenden Adel und gegen die Plattheit des triumphierenden bürgerlichen Zeitalters. Auch hierin folgt er seinem Vorbild Proust.
Unbedingt zu empfehlen sind jedoch die Kapitel, in denen der Psychiater Professor Horn sein Unwesen treibt. Horn ist Spezialist für die Behandlung von Wutanfällen und hat in seiner Praxis regen Zulauf von einkommensstarken Privatpatienten. Er behandelt anfangs mit Nasenzange und kleinen Schlagwerkzeugen, mit denen der Hinterkopf des Kranken „bepaukt“ wird. Dabei wird zu bombastischer Musik von Meyerbeer ein Tisch umschritten, auf dem scheußliche Nippesfiguren zum Zugreifen und Zerdeppern verleiten …
Der Professor geht nach einiger Zeit aus Profitgier zur Reihenbehandlung über. Die „Hornsche Reihe“ ermöglicht die Simultanbehandlung mehrerer Kranker, nun Elemente genannt. Selbstverständlich hat ein Professor keinen Mangel an medizinischen Hilfskräften. Das Grammophon wird durch eine originale oberbayrische Musikkapelle ersetzt. An die Mieter darunter wird eine „Lärmmiete“ gezahlt. Diese verfallen ihrerseits der Habgier und gründen einen Verein, der das Hornsche Verfahren zum Discountpreis anbietet. Es kommt zur Katastrophe – dem „Untergang Professor Horns im Toben der Elemente“.
Doch der Professor hat schon etwas anderes erdacht: das „Wuthäuslein“, eine Kabine, in der jeder für sich eingesperrt und mit apparativem Schnickschnack bearbeitet wird. Und Horn denkt noch weiter, an die Zusammenkopplung fahrbarer Wuthäuslein zu ganzen Zügen, die auf Schienen durch Hallen und Gänge rollen, wie in einer Geisterbahn.
Ich habe den Roman erstmals 1977 am Strand von Saint Malo gelesen und dabei vor Vergnügen gekräht. Auch jetzt habe ich mich wieder sehr amüsiert. Diese Satire auf Pseudowissenschaft, technisierte Medizin und Geldgier hat sich jung und frisch erhalten.
[*] Diese Rezension schrieb: ArnoAbendschoen (2010-05-03)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.