Das Thema „Vater und Sohn“ ist wohl nicht nur unter den Göttern von Walhalla ein ewig wiederkehrendes. Aber nie wurde es in so eindrucksvollen und künstlerisch wertvollen Bildern beschrieben, wie in diesem Comicband des deutschen Künstlers Djurdjevic, der den Konflikt zwischen Odin und seinem Sohn Thor als Ödipuskomplex darstellt, in dem der Sohn den Vater wenn nicht töten, so doch zumindest töten lassen muss, damit die Ordnung der Dinge wiederhergestellt wird.
Odin ist zu einem Leben im Schattenreich verdammt und muss immer wieder gegen dieselben Monster kämpfen, Tag für Tag, einem Sisyphos gleich. Sein Sohn Thor hat ihn im Kampf im Stich gelassen und so rutschte Odin in die Zwischenwelt. Thor profitiert natürlich davon, denn jetzt wird er der Herrscher von Walhalla, als Nachfolger von Odin. Doch Thor will diesen ewigen Kreislauf des Lebens und Sterbens durchbrechen - schließlich ist er ein Gott - und so stellt er sich schließlich auch im Schattenreich an die Seite seines Vaters. Dieser kann dadurch zwar nicht erlöst werden, aber zumindest schöpft er die Hoffnung, die es braucht, um den alltäglichen Kampf gegen den grausamen Surtur zu überleben. Am Ende wird das Licht über die Dunkelheit siegen, „Für Asgard!“ lautet nicht zuletzt ihr gemeinsamer, göttlicher Schlachtruf und man mag darin einstimmen, wenn man der Monster gewahr wird, gegen die Gott Vater & Sohn hier zu kämpfen haben.
Aber das ist noch lange nicht alles, parallel zu dieser Geschichte, gibt es nämlich auch noch die der „bürgerlichen Identität“ der Götter auf Erden. Thor als Donald Blake und seine Angebetete Sif als Dr. Jane Foster bilden einen parallelen Handlungsstrang, dem man zwar nicht so ganz auf die Schliche kommt, aber es könnte sich noch in den weiteren Folgen klären lassen. Denn die muss man haben, zweifellos! Teil 1 in hier vorliegender Edition unterscheidet sich allerdings stark von Teil 2 in diesem Band. Ersterer zeichnet sich vor allem durch seine Zeichenschärfe aus, ist prägnant, scharf mit geradezu „göttlichen“ S/W-Kontrasten. Auch erscheint mir der erste Teil der Geschichte viel mystischer, nicht zuletzt, weil auch ein Haufen schwarzer Raben eine gewisse Rolle spielt, nämlich das schlechte Gewissen des blonden Gottes. Der erste Teil erinnert mich – abgesehen davon dass er S/W ist - stark an Hal Foster, er ist viel realistisch-fantastischer, sowohl was Zeichenstil, als was den Plot betrifft. In Teil 2 verschwimmen nicht nur die Kontraste, sondern auch die Handlung, was zuvor aufgebaut wurde, wird wieder zurückgenommen und verliert sich etwas in den Nebeln der Zwischenwelt oder Asgards. Dennoch besteht ein großes Potential das dieser Zeichner mit etwas weniger Zensur von oben, sicherlich noch voll auszuschöpfen wissen wird. Ein gelungenes Debüt, Hut ab! Und Thors Hammer nicht zu früh an den Nagel hängen, bitteschön! Wir wollen mehr von diesem hoffnungsvollen Zeichner und Texter!
Marko Djurdjevic wurde vor allem durch seine Cover-Zeichnungen für Marvelcomics berühmt, darunter Spider-Man, Wolverine und Daredevil. Einige davon befinden sich auch in vorliegender Sonderedition. Thor ist Djurdjevics erstes eigenes Comic-Werk, das in hochwertiger Produktion der Originalseiten hier wiedergegeben wird. Zusätzlich findet man ein umfangreiches Interview mit dem Künstler und auch ein paar Zeichenstudien, die einen persönlichen Einblick in den kreativen Entstehungsprozess dieses außergewöhnlichen deutschen Comickünstlers geben.