„I’m Bob Dylan only if I have to“ soll Bob Dylan in einem Interview in den Achtzigern einmal erwähnt haben und im Eröffnungsessay „Alias“ der hier vorliegenden Publikation geht Detering den vielen Namen von „Shabtai Zisel ben Avraham“ – so sein hebräischer Name - nach, der in Duluth Minnesota, am „Highway 61“ gelegen, als Robert Zimmermann geboren wurde. „He was a shape shifter. It wasn’t necessary for him to be a definitive person“, heißt es auch in Martin Scorseses Filmporträt „No Direction Home“. Der wahre Dylan ist selbstverständlich ohnehin „ein Anderer“, wie es schon Arthur Rimbaud, ein literarischer Held Dylans, im 19. Jahrhunderts für sich selbst reklamiert hatte. „Never trust the artist, trust the tale“, will der selbstbekennende Hasardeur und Hochstapler gewitzt seinen Zuhörern vermitteln, denn seine Kunst habe ohnehin mehr mit fühlen denn denken zu tun. „When I get to thinking, I'm usually in some kind of trouble“.
Bob Dylan als Strizzi in Damenunterwäschewerbung
Bob Dylan arbeitet mit seiner Geheimnistuerei natürlich bewusst an seinem Mythos mit, er benutzt die Medien und sie ihn. Einer seiner Songs seines Spätwerks „Time out of Mind“ (2011), „Sick of Love“, zeigt Bob Dylan als düster-romantischen Strizzi mit Unterwäsche-Models einer bekannten Firma im Palazzo Ducale von Venedig, ganz ohne Schuldgefühle, dass er sich und seine Musik an einen Modekonzern verkauft. Nach inzwischen 40 oder 50 Studienalben kann ihm ohnehin niemand mehr Ausverkauf vorwerfen. Seine Songewelt, schreibt Detering, changiere zwischen „fortschrittsoptimistischem Aktivismus und pessimistischer, gern zynisch formulierter Politikfeindlichkeit, zwischen konservativ-patriotischer Vergangenheitsbewältigung und libertärer Utopie“. Tatsächlich beschwört Dylan immer wieder die Mythenwelt des „heiligen Outlaw“, der aufbegehrt gegen den universalen Verblendungszusammenhang von Macht, Korruption, Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit, „ein Straßenkämpfer wider Willen“ schreibt Detering.
Der ewige Outlaw
In „Outlaw Blues“ zerlegt der Biograph das Album „Bringing it All Back Home“ und betont, wie radikal Dylans Werk für die damalige Zeit war, auch wenn das heute - nach Punk -niemand mehr so recht glauben will. „It’s metallic and bright gold“, soll Dylan einmal seinen eigenen Sound beschrieben haben und damit sicherlich nicht seine Stimme gemeint haben. Heinrich Detering beschreibt die Alben, alte Konzerte, Bootleg Series und auch Dylans Privatleben, stets sachlich und doch mit ganz viel Sympathie. Ein Werk nicht nur für Dylanologen, sondern auch für Leute die Bob Dylan ganz einfach mögen. 1966 hatte es nach seinem Motorradunfall geheißen er werde wohl nie mehr auftreten, doch nach eineinhalb Jahren Pause tourt der Literaturnobelpreisträger immer noch auf seiner Neverending Tour durch die Welt. Im Anhang befindet sich eine ausführliche Diskographie und über das Buch verteilt finden sie viele Fotos des wohl letzten Barden und Minnesängers der modernen Welt.
Detering, Heinrich: Bob Dylan
6., durchges. Aufl. 2016
Klappenbroschur. Format: 12,5 x 20 cm
Reclam, 216 S. 15 Abb.
ISBN: 978-3-15-011053-9
[*] Diese Rezension schrieb: jürgen Weber (2016-11-12)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.