Auf die Suche nach dem „lost horizon“ macht sich die aufstrebende Denkerin und Professorin Jodi Dean, deren aktuelles Buch versucht, das kommunistische Ideal von den Verfehlungen der Sowjetunion zu trennen und sich so gegen die weiter wirksamen Vorurteile des Kalten Krieges wendet. Jodi Dean legt ihren Schwerpunkt aber auch auf die Rolle der Partei, die in einer Bewegung die Interessen der Werktätigen bündeln kann und nur so zum Erfolg führen kann. In ihrer Analyse der Occupy-Bewegung bemängelt sie, dass sich deren Spontaneität nicht zu einer Revolution auswachsen konnte, gerade weil sich die Bewegung nicht als Partei konstituierte.
Nur radical chic oder mehr?
Der kommunistische Horizont ist für Jodi Dean immer noch eine Idee, die „der Hinweis auf eine Denkaufgabe ist, die immer noch und zunehmend offen ist“, zitiert sie Jean-Luc Nancy. Aber gerade das sei das Problem der Linken (gewesen), dass sie diesen kommunistischen Horizont aus den Augen verloren hätten. Der Schwerpunkt habe sich vielmehr auf ästhetische Aktionen verlagert, die die Politik vom organisierten Kampf der Werktätigen abspalte und Politik in etwas für Zuschauer verwandle. Die Zuschauer könnten bezahlen und sich dafür „radikal“ fühlen: radical chic sogar. „Das Abfeiern kurzer Aktionen und einzigartiger Happenings – die spielerische Störung, der zeitweilig kontroverse Film oder Roman – funktioniert auf die gleiche Weise.“ Das einzigartige Happening entkopple aber die Aufgabe vom Ziel, so Dean.
USA vs. UdSSR: 1:1
In ihrer Analyse untersucht Jodi Dean nicht nur die Begrifflichkeit des Kommunismus und unterteilt ihn in mindestens sechs unterschiedliche Bedeutungen, sondern weist auch auf wesentliche gesellschaftliche Zusammenhänge des 21. Jahrhunderts hin. „Kommunikation ist die Form kapitalistischer Produktion in der es dem Kapital gelang, die Gesellschaft insgesamt global seinem Regime anzupassen.“ Die Aufgabe einer noch zu bildenden Partei zur Zerstörung des Kapitalismus sei es folglich, „die proletarische Revolution, das heißt die Zerstörung des kapitalistischen Systems der Ausbeutung und Enteignung, der Proletarisierung, und die Schaffung einer Produktions- und Distributionsweise, in der die freie Entwicklung eines jeden vereinbar ist mit er freien Entwicklung aller.“ So weit die Utopie. Man sollte aber auch die indirekten Verdienste des Systems der UdSSR für die Demokratisierung der USA nicht vergessen, denn „ein zentraler Anstoß zum Fortschritt in puncto Bürgerrechte und Sozialsysteme ging damals von der US-Regierung aus und ihrem Bestreben, im Vergleich mit der UdSSR nicht schlecht dazustehen.
F.I.R.E. am Dach des Neoliberalismus
Die Sowjets hingegen hätten den amerikanischen Kapitalismus nicht einfach nur nachgebaut, sondern ihn sogar verherrlicht. Als Säulenheiliger der Sowjetunion fungierte vielmehr ein Henry Ford, denn ein Josef Stalin. „Die USA mögen nicht gerecht sein, aber sie sind produktiv. Die UdSSR mag nicht produktiv gewesen sein, aber sie war gerecht.“, schreibt Dean, aber natürlich meint sie dies allein auf den ökonomischen und nicht auf den gesellschaftlichen Sektor bezogen. Der Neoliberalismus hat sich vor allem als Instrument der Generierung von Reichtum für die oberen Einkommensklassen bewährt, aber nur Investitionen (F.I.R.E.) nicht aber Produktion getätigt. Das 1e% wird gefördert und die anderen 99% ausgebeutet. Aber der Neoliberalismus ist spätestens seit der Finanzkrise 2008 tot. What’s next? Jodi Dean versucht auch darauf eine Antwort zu finden.
LAIKAtheorie Band 60
Jodi Dean
Der Kommunistische Horizont
Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Förster.
ISBN: 978-3-944233-55-0
22€, 180 Seiten
[*] Diese Rezension schrieb: jürgen Weber (2016-06-16)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.