The Good Sheperd. Regie: Robert De Niro; Produzent: Francis Ford Coppola
Nein, ein herausfordernderes Thema als die Geschichte der CIA in den USA hätte sich Robert De Niro bei seiner zweiten Regie sicher nicht aussuchen können. Und eine brisantere Zeit als die, in der die Bush-Administration aufgrund nachweislicher Fehler oder dubioser Hinweise des Geheimdienstes mächtig ins Schlingern geraten war, hätte er auch nicht wählen können. Umso betörender ist die von De Niro gewählte Gangart eines Epos, das mehr aussagt über die Geschichte dieser Supermacht als schnelle Schnitte und technische Effekte. Mit einer distinguierten Erzählweise, in die die Hauptdarsteller Matt Damon und Angelina Jolie in einer für sie nie wieder erreichten Qualität eingewoben sind, breitet sich die Geschichte mehrdimensional vor dem Publikum aus.
Matt Damon, die Hauptfigur, spielt den aus gutem protestantisch-weißen Hause stammenden Musterschüler und Eliteschulabsolventen Wilson, der früh für geheimdienstliche Aktivitäten während des II. Weltkrieges rekrutiert wird. Die Fäden im Hintergrund zieht ein übergewichtiger und gichtiger Robert De Niro, der den Mythos der Vaterlandsliebe symbolisiert wie der versehrte Held. Es entfaltet sich eine Textur der unterschiedlichen Handlungen, begleitet von politischen Ereignissen wie der Entstehung der Nachkriegsordnung, der Kuba-Krise und dem Kalten Krieg. Wilson ist der Mann im Hintergrund, in seinem Selbstzeugnis ein kleiner, unbedeutender Diener seines Staates. Darunter leidet das, was gemeinhin als Privatleben bezeichnet werden müsste. Seine Ehe zu der von Angelina Jolie herausragend dargestellten Frau aus bestem Hause, die eigentlich nie stattfindet und ein lang anhaltender Auszehrungsprozess ist, der letztendlich alle vernichtet, symbolisiert den sektiererischen Charakter der geheimdienstlichen Berufsausübung.
De Niro gelingt es, eine Analogie herzustellen zwischen der Anforderung an die Geduld von Geheimagenten bei ihren Operationen und dem Aufbau der Organisation und dem Publikum, das ebenfalls sehr intensiv beobachten und warten muss und den Clou nicht ad hoc zu entschlüsseln vermag. Die zentralen Botschaften kommen eher en passent daher und gehen unter die Haut wie tödliche Messerstiche. Auf die Ausführungen eines italienischen Mafioso, der mit der CIA verhandeln will und in der einleitenden Konversion aufzählt, dass die Italiener ihre Familie und ihr Essen, die Iren ihre Heimat, die Juden ihre Tradition und selbst die Schwarzen ihre Musik hätten und gleich die Frage an den weißen Geheimdienstler stellt, was seine Gruppe denn an Sinnstiftung zu bieten hätte, antwortet Wilson eiskalt: Wir sind die Vereinigten Staaten von Amerika, und ihr seid hier alle nur zu Gast!
Derartige Botschaften kommen dennoch leise daher, sie enthüllen den Charakter der notwendigen, geheimen Dienste, deren Existenz zwischen Poesie und Mord zu suchen ist und deren Geist die Konsistenz einer Weltmacht verrät. Das ist große Kunst im Medium Film!
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2011-06-23)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.