Wohl kaum eine andere Figur der Weltgeschichte hat in seiner Person einen solchen, zumindest nach außen, massiven Wandel erlebt wie Gaius Julius Octavian, Adoptivsohn von Julius Caesar, Mitverschwörer gegen ihn und später der „Augustus“, Kaiser von Rom, unter dessen Ägide eine der längsten und fruchtbarsten Friedenszeiten des römischen Reiches fiel (und die größte Ausdehnung des römischen Reiches zudem).
Einer, der vor seiner Thronbesteigung aufs äußerste machtbewusst ohne Rücksicht auf Verluste erst den eigenen Adoptivvater mit verriet, danach Marcus Antonius mit seiner Kleopatra in die Knie zwang und der nach seiner Thronbesteigung letztendlich die Herzen der Römer und der zivilisierten Welt in den Bann schlug. In jungen Jahren gehasst und gefürchtet, nach seinem Tod ehrlich und in der Tiefe betrauert.
Eine Veränderung der Persönlichkeit, die auch in der gut lesbar geschriebenen und sorgfältigen Biographie des Althistorikers Werner Dahlheim natürlich ihren Platz findet.
In zeitlicher Abfolge beginnt Dahlheim seine Betrachtungen aber zunächst mit der politischen und öffentlichen Situation am Ende des Wirkens Caesars, eine Zeit der Republik, die Augustus wenig geprägt hat. Führt dann über den Verrat, den Bürgerkrieg der Erben und den darin enthaltenen Hochverrat des späteren Augustus hinein in die, noch heute schillernd nachhallende, Zeit der Verwicklungen um Marcus Antonius, Kleopatra und Octatvian hinein.
Erst nach dieser ausführlichen und in nicht ausufernden Kapiteln kundig beschriebenen Grundlagen der Machtergreifung Octavians und seiner persönlichen Entwicklungen bis zu diesem Zeitpunkt hin, setzt Dahlheim in einem zweiten Hauptteil nun mit umfassenden Blick die äußere und innere Entwicklung der Herrschaft des Augustus in das Zentrum seiner Betrachtungen. Eine Zeit, in der eine immense Ausdehnung des Reiches stattfand, eine Zeit, in der Jesus Christus geboren und hingerichtet wurde und, im Nachgang dieses Ereignisses, neue Kräfte in Form der jungen Christenheit ihre Wirkung auch in Rom selbst begannen.
Eine Zeit vor allem aber des inneren Friedens und des äußeren Wohlstandes, übrigens nicht nur für Rom selbst, sondern durch die Eingliederung vieler Regionen in das römische Reich und die damit einhergehende innere Ordnung dieser Regionen auch eine Zeit des relativen Wohlstandes für viele Völker, wie Dahlheim überzeugend darlegt.
Teils überraschende und andere Blickwinkel setzt Dahlheim im Laufe seiner Betrachtungen in den Raum, Blickwinkel, die einerseits die vermeintliche innere Wandlung des Augustus kritisch betrachten und mancher Nachfrage aussetzen, Blickwinkel aber auch, die eine ganze Reihe von Vorurteilen gegen vermeintlich grausam herrschende und ausschließlich unterjochende Römer ebenso differenziert aufzulösen verstehen.
Die fast theologische Ebene der Herrschaft des Augustus nimmt Werner Dahlheim in den abschließenden Kapiteln seines Buches ebenfalls auf und führt diese einer Bewertung zu. Das Selbstverständnis des Augustus, seine Herrschaft als Heilsgeschichte für Rom und die Welt zu deuten und die Rezeption dieses Verständnisses in der christlichen Geschichtsdeutung. In dieser nämlich erhält auch der Kaiser, unter dessen Ägide die Heilsgeschichte Gottes ihren Anfang nahm, eine positive Würdigung und nimmt Anteil am Licht Gottes in jener Zeit.
Werner Dahlheim schreibt kundig, nimmt durchaus Wertungen vor, verbleibt somit nicht im rein beschreibenden Duktus. Vermittels seiner lebendigen und bildhaften Sprache liest sich die Biographie stellenweise wie ein Roman und führt zu einem anregenden und fundierten Lesegenuss. Die teilweise eingestreuten und bis dato eher unbekannten Illustrationen ergänzen den Text in bester Art und Weise. Alles in allem eine hervorragend geschriebene, umfassende und tief greifende Biographie über diese „Wendegestalt“ der Geschichte.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-12-06)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.