Robert Crumb wurde 2012 sogar in Paris mit einer großen Einzelausstellung geehrt und das hängt sicherlich nicht damit zusammen, dass der 1943 geborene Amerikaner aus Philadelphia in den 90er nach Südfrankreich gezogen ist, sondern dass sicherlich eher damit, dass er einer der bedeutendsten Autoren und Zeichner ist, die die Comicwelt bis heute hervorgebracht hat. Bekannt geworden ist er vor allem durch die Verfilmung seiner „Fritz, the Cat“ Figur, doch ebenso leicht wie sie ihn berühmt gemacht hatte, ließ er die Figur auch wieder sterben. Crumb fürchtet sich eher vor seinem Erfolg, als dass er ihn genießt, und nach seinen vielen anderen Erfolgen mit „Mr Natural“ u. a. Figuren, widmete er sich bald nur mehr der Darstellung seiner eigenen Obsessionen und Neurosen. Aber selbst das hat seinem Erfolg bis heute keinen Abbruch getan und so verlegt der Reprodukt erneut die Werke Crumbs in einer wunderschön gebundenen Großformat (112 Seiten, schwarz/weiß, 22 x 29 cm, Hardcover) Version.
Vom „Ekel“ zur „Psychopathia Sexualis“
Neben dem angesprochen Kater Fritz sind oder werden bei Reprodukt auch „Kafka“, „Mein Ärger mit den Frauen“, „Mister Nostalgica“ oder eben „Nausea“ erscheinen. Die Titelgeschichte dieser Ausgabe geht natürlich auf den berühmten Roman „Der Ekel" von Jean-Paul Sartre zurück. Nach einer kurzen Einführung in den Existentialismus zeichnet sich Crumb selbst (oder zumindest jemanden, der ihm verdammt ähnlich sieht) in die Geschichte hinein und beginnt mit dem Dialog mit dem Autodidakten. Am Ende bewegen sich nicht mehr nur die Lippen, sondern das ganze Restaurant scheint zu wackeln und wabern, wodurch das Absurde (eines der Hauptmotive des Existentialismus) richtiggehend spürbar wird. Aber „Nausea“ ist nur eine von vielen weiteren Geschichten in diesem Band, die sich mit den Zerrüttungen unserer modernen Welt auseinandersetzen. Philip K. Dick wird von Crumb ebenso porträtitert wie Richard von Krafft-Ebings „Psychopathia Sexualis“.
Der schüchterne Sprecher einer Generation
Mit einem Plattencover von Janis Joplin, das den Titel „Cheap Thrills“ trägt, machte sich Robert Crumb zu einer Art „Ikone der Gegenkultur“, dabei scheut der schüchterne Einzelgänger jede Massenansammlung und Aufmerksamkeit für seine Person. In einer in vorliegendem Band abgedruckten Episode seines „Mr. Natural“ zeigt Crumb seine Frau Aline Kominsky in übergroßen Stiefeln und ausgereiften weiblichen Attributen. Viele der Bilder, die er zeigt sind nicht ganz jugendfrei, und als der kleine Mr. Natural seine Leidenschaft für die „Elysäischen Gefilde“ mit Aline thematisieren möchte, bläst sie ihm einfach den Marsch: „Hör zu, mein kleiner Trottel – diese glorreichen Momente des Herumtollens – attachier dich nicht emotional an si, okay?“ Eine andere Episode spielt in New York und erzählt von Jelly Roll Mortons Voodoo-Fluch. „Geschah es wirklich, oder war es nur Einbildung?“ mag man sich tatsächlich bei vielen dieser Geschichten denken, die einmal anregen, dann wieder aufregen. Die meisten der hier erstmals in einem Band erschienen Kurzgeschichten entstanden zwischen 1965 und 1999. Robert Crumb ist nicht nur Illustrator, sondern auch Erfinder seiner Charaktere. Ein 1994 erschienener Dokumentarfilm von Terry Zwigoff zeigt den schüchternen Künstler ganz privat.
Robert Crumb
Nausea
Aus dem Amerikanischen von Harry Rowohlt. Handlettering von Michael Hau, Dieter Kerl und Olav Korth
112 Seiten, schwarz/weiß, 22 x 29 cm, Hardcover
Reprodukt Verlag
ISBN 978-3-943143-29-4
EUR 29,00
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-06-03)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.