Dieses Buch von Rowan Coleman ist eines der wenigen Romane, die mich in diesem Jahr beim Lesen in meinem Innersten angesprochen und bewegt haben. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Haupthandlung auf einer Hospizstation spielt und von den Menschen dort erzählt, die auf ihren Tod warten und ihr Leben bilanzieren. Und zum anderen, weil es eine Botschaft ausstrahlt, die ich in der Hektik des Alltags leider oft vergesse: egal, was passiert, wovor du auch immer Angst hast, es kommt immer darauf, die kleinen Momente des Glücks und der Liebe nicht zu übersehen. Sie machen dein Leben reich, auch wenn dir vielleicht nicht mehr viel Zeit bleibt.
Erzählt wird von der Krankenschwester Stella, die in einem Hospiz arbeitet. Auf eigenen Wunsch arbeitet sie nur in der Nacht, dann, wenn es still wird auf der Station, und die Menschen sich ihr in vielen Gesprächen öffnen. Irgendwann hat sie jemand gebeten, an einen nahe stehenden Menschen einen kurzen Brief zu schreiben, den Stella erst nach dem Tod der Patientin dem Empfänger aushändigen sollte. Und schon bald wird daraus ein Ritual. Viele dieser Briefe sind in dem über 400-seitigen Roman abgedruckt, in einigen Fällen erfahren wir mehr von der Person, die ihn geschrieben hat und ihrem Leben. In diesen, meist nicht mehr als zwanzig Zeilen langen Briefen erfahren wir, was Menschen in ihren letzten Tagen und Stunden bewegt und was sie noch mitteilen wollen.
Doch Stella hat auch ihre eigenen Lebensprobleme. Ihr Mann Vincent hat sich von ihr abgewendet, und obwohl sie ihn über alles liebt, geht sie ihm aus dem Weg. Die schwere Leidensgeschichte dieser Beziehung ist bis zum Ende des Buches ein wesentlicher Strang der Erzählung. Genauso wie die Geschichte der jugendlichen Hope, die seit ihrer Geburt an Mukoviszidose leidet und nur zur Pflege in dem Hospiz sich aufhält, bis sie wieder soweit ist, dass sie nach Hause gehen kann, dorthin also, wo sie sich über viele Jahre von der Welt abgeschottet hat und das Leben an sich hat vorüberziehen lassen. Doch da ist auch ihr Freund Ben, der ihr zeigt, warum es sich lohnt zu leben, zu kämpfen und zu hoffen.
Genau diese Erfahrung macht auch Hugh, alleinstehend und nur mit einem Kater namens Jake befreundet, der als zweite Heimat das Hospiz hat und dort viele Patienten tröstet.
Ihrer aller Geschichte wird erzählt, und nach und nach von Rowan Coleman miteinander verknüpft. Es ist, wie sie selbst auf einer Innenseite des Buches schreibt, „eine Geschichte über Hoffnung, darüber, niemals aufzugeben, nach den Sternen zu greifen und Menschen zu begegnen, die dein Leben verändern.“
„Zwanzig Zeilen Liebe“ ist ein sehr bewegender, stellenweise aufwühlender Roman, eine poetische Hymne auf das Leben und ein spirituelles Lied über die Hoffnung, die uns am Leben hält bis zur letzten Minute, wenn wir es aushauchen. Aber davor gibt es noch „eine ganze Menge Leben“ (Konstantin Wecker).
Rowan Coleman, Zwanzig Zeilen Liebe, Piper 2015 ISBN 978-3-492-06017-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-10-19)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.