Dieser Roman hält absolut, was sein Klappentext und seine Auszeichnungen in Frankreich versprechen. In einer wunderbaren selbstreflexiven Sprache schildert der 1962 geborene Philippe Claudel in seinem ersten in Deutschland veröffentlichten Roman die Geschichte eines Mordes, der nie aufgeklärt wird.
Der Ich 'Erzähler, von Beruf Polizist in einem kleinen Ort hinter der Frontlinie des Ersten Weltkrieges in Frankreich, schreibt viele Jahre nach den Ereignissen ( 'Die Affäre' nennt er es) eine Geschichte auf, in die er selbst mehr verwickelt ist, als man es auf den ersten Seiten vermuten kann.
1917. Der Krieg tobt. Der Ort ist voll von Krüppeln und Verletzten und immer wieder neue Ladungen menschlichen Kanonenfutters werden an die nahe Front gekarrt. Da wird die 10- jährige Tochter des Wirts, 'Belle de Jours' genannt, erwürgt aufgefunden. Der in einem Schloß einsam lebende pensionierte Staatsanwalt Destinat wurde kurz vorher an genau der Stelle mit dem Kind gesehen.
Aber der Richter und ein extra entsandter Beauftragter der Regierung verhindern weitere Ermittlungen und lassen einen Unschuldigen hinrichten.
Der Fall lässt den Polizisten nicht los, eben weil er selbst sich darin mit großer Schuld beladen hat: er war nicht da, als seine Frau ihn brauchte.
Viele Jahre später führt er Gespräche mit noch lebenden Beteiligten und schreibt seine Geschichte auf. Als er sie beendet hat, ist er endlich reif für eine Entscheidung, die er seit Jahren vor sich herschiebt ...
Claudels Roman ist ein Stück großer Literatur. Es ist zu wünschen, daß das deutsche Publikum auch seine anderen Werke bald würdigen kann.
Philippe Claudel, Die grauen Seelen, Rowohlt 2004, ISBN 978-3-498-00930-4
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-06-26)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.