„May you stay forever young“, wird am Ende des Filmes von Larry Clark („Kids“ und „Bully“) intoniert und man möchte es sich natürlich vor allem für sich selbst wünschen, denn wer seine Jugend so verbringt, wie die Protagonisten des Films, wird wohl kaum alt werden können, sondern höchstens jung bleiben und ebenso jung sterben. Eine Art impressionistische Montage zeigt nackte junge Körper, die Bilder verschwimmen, der Bildschirm stört, alles löst sich in seine Pixel auf, so wie die Helden des Films sich in ihre Körperflüssigkeiten auflösen, Blut und Samen. Der Obdachlose, den sie „Rockstar“ nennen, wird von den Teenagern mit Füßen getreten, sie sind Hedonisten und scheren sich nur um ihr eigenes Vergnügen. Dafür verkaufen sie sogar ihre Körper als Stricher, auch wenn sie dafür die Alten verwöhnen müssen, die sie so sehr verachten. Diese Generation ist von der anderen abhängig und lässt diese ihre Missgunst spüren.
Sex, Gewalt, Drogen „Street walking zooooombie“ singt ein Straßenmusiker und in einer Einspielung über das Fernsehen ist Cab Calloway 1938 zu sehen, der damals schon in S/W tanzte wie die Jugendlichen heute in Farbe. Verkatert, wacht Pacman auf, duscht sich seine Genitalien, sein Hintern schmerzt. Die Dialoge drehen sich um Neuinterpretationen von bekannten Abbrevationen wie etwa BBC: big black cock. Die Call boys sind Skateboarder, ihr Vintage Lebensgefühl kann nur durch den Sex mit Oldies aufrecht erhalten werden, dafür lassen sie sich sogar manchmal die Füße ablecken. Einer filmt sie ständig dabei wie einer sie dabei filmt, so ist auch der Regisseur gleich mitverewigt, in seinem Film. „Mein kleiner Junge“, dieser Satz kann einen verfolgen. Oder wenn John Lee Hooker singt „You’r gonna miss me, when I’m gone“ hört man schon die Stimmen aus dem Jenseits.
iphone-Generation vs. Kapitalismus
Ein Trompeten-Playback wird lippensynchron mitgesummt, die iphone-Generation kann auch mal auf „Ablehnen“ drücken, dann nämlich, wenn das Mädel von Pacman anruft: eine unglückliche Lovestory, ist es dann, wenn einer mehr liebt als der andere. Einem ihrer Kunden, einem alten Mann wird durch eine Party die ganze Wohnung versaut und schließlich will Mama ihm einen blasen und lacht ihn aus, weil er Liebe und Musik tätowiert hat. Sein Freund wirft sich vor den Augen seiner (Stief-)Mutter die Stiege runter und das Filmen mit dem Handy gibt dieser verlorenen Generation das Gefühl von Bedeutung, ja sogar das Gefühl berühmt zu sein. Es wird sogar ein Kleinwagen abgefackelt: „böser“ Kapitalismus, der die besten seiner Generation so verwahrlosen ließ...
Während sie mit ihren Skateboards davonfahren und dazu ein weiteres Lied ertönt, murmelt ein Bandleader am Ende in sein Mikrophon „Stop peeing inside here and listen to that shit“ ins Mikrophon. Ende. Ein Film der einen ratlos zurück lässt. Wenn jedes Tabu verletzt wird, wird der Skandal zu einem Papiertiger. Eine solche Jugend, das überlebt nicht einmal der ach so böse Kapitalismus.
Larry Clark
The Smell of Us
Mit Lukas Ionesco, Diane Rouxel, Theo Cholbi, Hugo Behar-Thinieres, Rayan Ben Yaiche, Adrien Binh Doan, Dominique Frot, Philippe Rigot, Michael Pitt
Frankreich, 92 min., BluRay
ASIN: B077P52Y1H
2018, Capelight
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2018-02-12)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.