„La società non ama i dispari: uno è poco e tre son‘ troppo“, sagt einer der Brüder Bandiera und Rabbino zum andern. Als Kinder hatten die beiden unter der katholischen Erziehung und ihrem betrunkenen Vater oft zu leiden gehabt, bis sie ihn kurzerhand umbrachten. Jahre später leben sie von Diebstahl und anderen Gaunereien und nehmen eine von ihrem Vater missbrauchte Hure Monica (Anita Sanders) in ihrer Mitte auf. Eine fast paradiesische Dreiecksbeziehung ist die Folge, die aber Ende doch in eine Tragödie biblischen Ausmaßes mündet weil die nackte Gefährtin eine der beiden heiraten will.
Das Drehbuch von Ostia stammt von der italienischen Filmlegende Pier Paolo Pasolini, der selbst ein tragisches Schicksal erlitt, das durchaus als „biblisch“ bezeichnet werden könnte, wie auch der Beitrag im Booklet zu vorliegender DVD aus dem Hause Koch Media eindringlich schildert. Inszeniert wurde Ostia aber von Pasolinis langjährigem Co-Autor und Weggefährten Sergio Citti, der ebenso wie Pasolini der italienischen Schule des Neorealismus angehört. Im Zentrum dieser Inszenierungen um das italienische Proletariat stehen also immer die einfachen Menschen, die sich irgendwie durchschlagen müssen, aber es dennoch irgendwie schaffen ein Minimum an Würde zu bewahren. Aber natürlich kommen auch biblische Anleihen zum Zug: der Patrizid der beiden Brüder, den Monica sich auch für ihren Vater gewünscht hätte oder der Mord des einen am anderen Bruder.
Ostia kann auch als eine Art Vorwarnung gelesen werden, für das Schicksal, das der Drehbuchautor und Regisseur Pasolini später selbst an Allerheiligen erleben sollte. Aber Marcus Popescu, der den Text zum Booklet dieser sehr schön gestalteten DVD verfasst hat, widerspricht der gängigen These, dass Pasolini das Opfer seiner eigenen Laster wurde, er sei viel eher gestorben, weil er ein Unbequemer war, einer, der die Dinge beim Namen nannte und so viele vor den Kopf stieß. Er musste sterben, weil viele ihn loswerden wollten, er hatte sich viele Feinde gemacht, eben weil er so unangepasst war und sich nicht scheute, seine Stimme zu erheben.
„Ostia“ gilt auch heute noch vielen Kritikern als filmisches Mysterium, das zwar Pasolinis Handschrift trage und als einer der „seltenen Fälle von naivem Kino"“ (Alberto Moravia) vielleicht sogar einzigartig ist. „Io so. Ma non ho le prove.“, schrieb Pasolini selbst in seiner Kolumne im renommierten Corriere della Sera: „Io so.“
Sergio Citti/Pier Paolo Pasolini
Ostia (Masterpieces of Cinema)
Darsteller: Laurent Terzieff, Franco Citti, Anita Sanders u.a.
Koch Media www.kochmedia-film.de
Drama, 96 min, DVD
Deutsch, Italienisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Italien 1970
Extras: Interview auf der Insel Ostia mit Filippo De Masi, Originaltrailer
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-11-17)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.