Eigentlich wollte Pierre Christin nie eine Autobiographie von sich lesen, geschweige denn zu schreiben. Aber dann stellte er sich dem inneren Monolog mit Hilfe einiger Bücher, die er geschrieben hatte, und indem er nur Dinge erwähnte, die er wirklich mi eigenen Augen gesehen hat oder über die es noch „Erkundungsfotos“ gibt. Pierre Christin verbrachte sein Leben sowohl in den Wohlstandsgesellschaften des Westens als auch im „kommunistischen“ Osten. Als Franzose war es damals unüblich beide Seiten zu frequentieren und wahrscheinlich war Pierre Christin genau darin auch eine Art Pionier. Eine Art Roadmovie über ideologische Gräben hinweg erwartet die LeserInnen dieser bunten Lebensgeschichte, die abwechslungsreicher nicht sein könnte.
Ratgeber für verirrte Seelen
Standesgemäß beginnt die erste Episode in der Wüste Amerikas, die Pierre Christin mit immer wieder neuen „Lemons“ („marode Karren“/Autos) und auf Basis eines Kredits, der ihm das unbeschwerte Reisen durch die Staaten ermöglicht. So kommt er auch zu den Mormonen, die immer noch die Polygamie praktizieren. An der Universität leitete er ein Seminar über den Surrealismus, aber er befand sich in den USA selbst in einer Art surrealistischem Traum. John Wayne und tanzende Zigeunerinnen begegnen ihm wiederum im Frankreich der Fünfziger und Sechziger Jahre, wo er Billard in den verrauchten Cafés an der Place de la République oder dem Boulevard Sebastopol spielte. Jazz und Existentialismus prägen seine Jugend, aber auch das Lecken von Senf von den Füßen einer schönen Frau. In diesen Jahren veröffentlicht er auch seine Weltraumabenteuer „Valerian und Veronique: L’empire des mille planetes“. In der Sowjet begegnen ihm wieder die Zigeunerinnen und der „real existierende Sozialismus“, wo vieles überlebte, das es im Westen längst nicht mehr gab. Aber jenseits dieser scheinbar romantischen Dorf-Idylle expolodierte ein Atomkraftwerk und Fabriken verseuchten die Lungen von Landbewohnern.
Ratgeber für verirrte Seelen
„Wir sind alle zu Kleinbürgern geworden, nicht anders als bei Euch“, erklärt ihm eine stramme polnische Kommunistin in einem Park, aber auch das war damals schon konspirativ. „Nie ma“ – gibt es nicht – sind die einzigen polnischen Worte, die ihm aus jener Zeit noch in Erinnerung sind. Pierre Christin begegnet Jean-Claude Mézières, Enki Bilal und Jean Giraud - bekannt als Moebius und erzählt in Ost-West seine ganz subjektive Geschichte der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zwischen Flower Power und der Atomkatastrophe von Tschernobyl.
Pierre Christin, Philippe Aymond
Ost-West (Hardcover)
Eine Biografie
Hardcover, 144 Seiten, Größe: 19,80 x 26,50 cm, ab 12 Jahren
ISBN: 978-3-551-73877-6
D: 22,00 € / A: 22,70 €
Carlsen Verlag
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2019-02-18)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.