David Chauvel/Erwan Le Saec
Cosa Nostra II – Die Spieler
Das Jahrhundert des organisierten Verbrechens in New York. Teil II.
Comicbuch
Aus dem Französischen von Resel Rebiersch
Dass die Prohibition, die am 28. Oktober 1919 durch das Volstead-Gesetz vom Kongress verabschiedet wurde und bald darauf in Kraft trat (1. Januar 1920, 00:01), einen großen Anteil an den lukrativen Gewinnen der Mafia gehabt hat, wird heute als Allgemeinplatz allenthalben anerkannt. Der „Teufel Alkohol“, als den ihn viele empfanden, fand auf illegalem Weg vielleicht sogar noch mehr Verbreitung, als er es auf legalem je hätte tun können und war zudem noch von anderen Übeln wie Korruption, Mord und religiösem Fanatismus begleitet. „John Barleycorn“, der in vorliegendem Comic symbolhaft zu Grabe getragen wird, ist der Teufel, der den Männern einflüstert, ihren Lohn in der Kneipe zu vertrinken, statt ihn ihren Frauen und Kindern nach Hause zu bringen. Jack London, der ein Buch über diesen Teufel schrieb, das auf Deutsch mit „König Alkohol“ betitelt wurde, ist nur einer der Quellen, die die beiden Autoren Chauvel/Le Saec in ihrem Comic verwenden und dem Leser auch preisgeben. Im Anhang finden sich noch viele andere Literaturhinweise, die die Authentizität dieses neuen Mafianarrativs untermauern. Chauvel/Le Saec bringen viele bunte Bilder und sehr viel Licht in eines der dunkelsten Kapitel der amerikanischen Geschichte…
Bricks, der Erzähler den wir schon aus dem ersten Teil des „Cosa Nostra Geschichtslexikon in Bildern“ kennen, ist inzwischen älter geworden, ja fast schon erwachsen. Inzwischen ist Bricks nicht mehr Laufbursche, sondern „in die erste Reihe des Geschehens“ vorgerückt: sein Hoheitsbereich ist hinter der Bar. Auf diese Weise kann der schlaue Bricks alle Mafiagrößen der Zwanzigerjahre aus nächster Nähe studieren und erzählt dem wohl ebenso neugierigen Leser etwa die Geschichte, wie der kleine Meyer Lansky das Sabbatmahl der Familie verspielte, aus Erfahrung klug wurde und das Glücksspiel in Amerika im großen Stil etablierte. Lanskys erste Lektion, die er sich von den Hütchenspielern („Craps“) abschaute, war denkbar einfach: „Die Spieler konnten gar nicht gewinnen, sie waren die Dummen und würden es bleiben. Bei den glückstrahlenden Großgewinnern handelte es sich um Komplizen. Auf dem Gehsteig, inmitten von Tagedieben und Habenichtsen, gingen ihm die Grundzüge der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf.“ Der Buchhalter der Mafia war geboren.
Wie Frank Costello seine Lotterie begründete wird in ebenso bunten wie aufschlussreichen Bildern erzählt, wie die Gründung der ersten „Union“ der Paten in den USA. Kleine Episoden und Zwischenspiele führen den Leser auch nach Sizilien oder erklären wie derselbe Costello als junger Kalabrese vor dem Militärdienst flüchtete und sich in Amerika zum „Premierminister des organisierten Verbrechens“ entwickelte: angefangen hatte er seine steile Karriere mit den ersten sprechenden Puppen. „Ein Mensch hat stets nur soviel Macht, wie andere ihm zugestehen“, resümiert Arnold Rothstein im Zuge der White Sox Affäre und geht dabei tatsächlich nicht leer aus. 350.000 Dollar hatten den Besitzer gewechselt. Die Verflechtung von legaler und illegaler Geschäftswelt scheinen den Autoren kaum mehr trennbar und der Leser ist für die Aufschlüsselung der Komplexität dankbar.
Wenn ein Prediger seine Zuhörer ermahnt, dass der Bolschewismus in der Sowjetunion deswegen so groß geworden sei, weil der Schnaps dort so verbreitet sei, wird es schließlich sogar Bugsy Siegel langsam zu blöd. Brachten dieselben Leute das Volstead-Gesetz zu Fall, die es verabschiedet hatten? Bei der damals herrschenden Korruption würde einen wohl nichts mehr wundern. Die Geschichte der Cosa Nostra wird in vorliegendem Comic besonders von ihren Anfängen her beschrieben und zeigt die ersten Gehversuche der ersten Generation von Verbrechern, die in einem Klima der Gewalt nichts anderes taten, als dieselbe selbst anzuwenden. Die Geschäftsmänner in New York arbeiteten mit Capone in Chicago oder anderen in Las Vegas zusammen, Hauptsache der Alkohol und der Rubel floss in Strömen. Das dabei aufgebaute Vertriebsnetz würde sich heute wohl so mancher legal arbeitende Kapitalist wünschen. Chauvel/Le Saec zeigen in teilweise blutroten und spaghettisauce spritzenden und –triefenden Schaufenstern in die Welt die böse Fratze des Kapitalismus, wie wir sie selbst in diesen Tagen noch nicht kennen gelernt haben.
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2009-02-06)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.