Mitten in einem Wald in Georgien wurde als eine Art Hommage an Gaudì das Sanatorium Druskininkai gebaut. „Inmitten von Koniferen entdeckte ich dort gigantische Wellenlinie aus Beton, modelliert nach einer Ästhetik außerhalb der Norm. Nichts was meinem Vorurteil über die sowjetische Architektur entsprochen hätte. “, schreibt Frédéric Chaubin in seiner Einleitung. Das war 2003 und genau dort entstand auch die Vision für dies Publikation, die der Herausgeber erst sieben später realisieren konnte und die Architektur der UdSSR in einen völlig neuen Kontext stellt.. „Angesichts dieser Kluft“ - der Kluft zwischen der postsowjetischen Realität und der sowjetischen Vergangenheit - „habe ich entdeckt, dass sich Geschichte nicht selbst schreibt. Man muss sie erfinden, auch wenn man sich irren kann. Man muss sie imaginieren.“
Auch in Russland sei jedoch Amerika niemals fern gewesen, und schon gar nicht in der Sowjet. Gerade in den Sechziger Jahren, als die Akzeptanz für das andere System zu wachsen beging, wurde -zwischen propagandistischer Ablehnung und heimlicher Faszination für das amerikanische Modell - ein ganz eigener Stil entwickelt. Man wollte die USA „einholen und dann überholen“, was dann zumindest in der Raumfahrttechnologie (50 Jahre Juri Gagarin!) gelang. Die Infiltration des Sowjetblocks hatte mit einer Ausstellung „Architecture in the USA“ 1965 bereits begonnen. Jedoch – schreibt Frédéric Chaubin – gab es auch für sowjetische Architekten Möglichkeiten, eigene Vorstellungen zu entwickeln, und das eben vor allem im anstehenden Raumzeitalter der Sechziger.
„Der um sich greifende Nebel machte die sowjetischen Architekten zu Randfiguren und nötigte sie, ihre eigene Vorstellungskraft zu entwickeln. Dies sollte ihnen dank des Weltalls und seiner Anziehungskraft gelingen.“, so Frédéric Chaubin. „Die hier präsentierten Bauwerke entstanden weit entfernt von Kalifornien auf verschiedenen Breitengraden der UdSSR. Sie repräsentieren die sowjetische Version der damaligen kollektiven Halluzinationen, das zentrale Element des Raumfahrtzeitalters: Das Raumschiff.“
Ich denke in diesem Kontext sollte die sowjetische Architektur, die in dieser außergewöhnlichen Publikation vorgestellt wird, auch tatsächlich gesehen werden: als Beitrag zum Outer Space inmitten Sibiriens. Der hier vorliegende monumentale Bildband von TASCHEN über die sowjetische Architektur ist in fünf Kapitel gegliedert, frei nach dem Fünfjahresplan erhält man darin Informationen über „Entertainment und Culture“, „Science and Technology“, „Sports an Youth“, „Health and Resorts“ und „Rites and Symbols“. The New York Times schrieb über das Buch: „Ein Aha-Erlebnis für alle, die dachten, dass die Sowjet Architektur mit dem Aufstieg Stalins gestorben sei." Insgesamt eine großartige fotografische Sammlung von 90 bizarr-fantastischer Gebäude aus den letzten Jahrzehnten der UdSSR. Die geradezu poetisch anmutenden Bilder stammen aus 14 Teilrepubliken der ehemaligen Sowjet und dokumentieren diese zwischen 1970 und 1990.
Darunter konstruktivistische Bauwerke wie das Druschba Sanatorium, Jalta, oder der Hochzeitspalast in Tiflis. Das Prometheus-Jugendlager in Bogatyr oder das Haus der Sowjets in Kaliningrad. Frédéric Chaubin's Cosmic Communist Constructions Photographed ist übrigens vom Internationalen Kunstbuch- und Film-Festival in Perpignan/Frankreich (Festival International du Livre d'Art & du Film Perpignan) zum besten Architekturbuch 2010 gewählt worden. Der Fotograf Frédéric Chaubin, geboren 1959 in Phnom Penh als Sohn eines Franzosen und einer Spanierin, ist seit 15 Jahren Chefredakteur des französischen Lifestyle-Magazins Citizen K. Das Material für die CCCP Collection sammelte er auf intuitiven Recherchereisen durch die früheren Sowjetrepubliken zwischen 2003 und 2010. Die Publikation wurde in einer dreisprachigen Fassung aufgelegt, also in Deutsch, Französisch, Englisch.
Frédéric Chaubin, Cosmic Communist
Constructions Photographed
Frédéric Chaubin
Hardcover, 26 x 34 cm (10.2 x 13.4 in.), 312
Seiten
EUR 39.99
ISBN 978-3-8365-2519-0
(Deutsch,Französisch,Englisch)
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-10-18)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.