„Ah ja, Bourbon ist morgens besser, Sie haben Recht“, einigen sich die beiden Kontrahenten, der Ehemann und der Liebhaber, bei einem Überraschungsbesuch in der Wohnung des letzteren. Helene (Stephane Audran) ist beiden Männern zugetan, sie hat einen Sohn mit Charles (Michel Bouquet), ihrem Ehemann, und eine Liaison mit Victor (Maurice Ronet), der sich als Schriftsteller versucht, aber wohl eher als Bohemien sein Leben fristet, als wirklich zu schreiben. „Bereitschaft“ habe er, Victor, bei Helene gleich gespürt, sie hatten sich im Kino bei einem langweiligen Film kennen gelernt und so kam man eben ins Gespräch. „Wie sind sie mit ihr zufrieden?“, frägt ihn der Ehemann und Victor ist natürlich verblüfft, aber Charles erklärt ihm sogleich, das Helene das öfter tun würde, was Victor wiederum nur wenig beunruhigt. Es scheint sich also auch nicht unbedingt um die große Liebe zu handeln, bei seinen Gefühlen für Helene.
„Sie ist anschmiegsam, zärtlich, man hat sie gern um sich“, antwortet er dem um Contenance bemühten Ehemann und dieser verliert tatsächlich erst die Fassung, als er ein kostbares Feuerzeug, das Helene eigentlich ihm einmal geschenkt hatte, auf Victors Nachtkästchen entdeckt. Wenn Charles schließlich ein gut verpacktes Paket, das an die Bilder eines Man Ray oder Skulpturen von Christo erinnert, am helllichten Tag wegträgt, spätestens dann weiß der Zuseher, dass sich die Handlung in eine Art Psychodrama entwickelt aus dem es nur sehr schwer ein Entkommen geben wird. Deswegen schütze sich, wer kann. Helene weint vorsorglich, denn als ihr Liebhaber sich nicht meldet, vermisst sie ihn erst recht und muss ihre Gefühle doch die ganze Zeit verbergen, damit sie nicht auffliegt. Wie würde sie erst weinen, wenn sie wüsste, was wirklich mit ihm geschehen ist! Doch als sie es dann herausfindet, handelt sie überraschenderweise ganz anders, als es der Zuseher erwartet. Denn in diesem Moment weiß sie, dass Charles sie womöglich mehr liebt, als ihr Liebhaber es ihr je beweisen hätte können. Sie bekommt endlich die Aufmerksamkeit von ihrem Ehemann, die sie sich immer gewünscht hatte, und teilt bald ein furchtbares Geheimnis mit ihm.
Die kultivierte bürgerliche Fassade und die dahinter liegende Scheinheiligkeit stehen im Zentrum von Claude Chabrols Filmschaffen, doch es ist ihm mit „die untreue Frau“ noch viel mehr gelungen, denn der Titel des Films wird in der langen Kamerafahrt am Ende des Films eigentlich ad absurdum geführt. Denn Helene beweist, dass sie ihn, Charles, eigentlich doch liebt und die Schauspielerin Stephane Audran weiß dies wie keine andere eindringlich zu vermitteln. Mit „Die untreue Frau“, „Der Schlachter“ und „Das Biest muss sterben“ drehte der französische Regisseur eine Art Trilogie, die sich aus den Leidenschaften Liebe, Verbrechen, Rache und Sehnsucht speisen und Filmgeschichte schrieben. So viel Geschichte, dass Hollywood 2002 sogar ein Remake mit Richard Gere und Diane Lane drehte, das unter dem Titel „Untreu“ auch in die europäischen Kinos kam. Der Original-Film kommt in einer schönen Ausstattung von 2001 mit einer kleinen Biographie des Regisseurs und einigen Bildern aus dem Film in einem umweltbewussten - klassisch schwarzen - Kartoncover.