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Lewis Carroll - Alice im Wunderland
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Carroll, Lewis:
Alice im Wunderland

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(Bücher frei Haus)

„One pill makes you larger / And one pill makes you small / And the ones that mother gives you / Don't do anything at all / Go ask Alice / When she's ten feet tall”, heisst es in Jefferson Airplanes “White Rabbit” und jeder kennt zumindest das Lied. Aber die Geschichte von Lewis Carroll?
Klein-Alice fällt in das Kaninchenloch, probiert allerlei Speisen und Getränke, die sie schrumpfen und wachsen und wieder schrumpfen lassen und ertrinkt beinahe in ihrem eigenen Tränenteich, wenn da nicht die wundersamen und verrückten Tiere wären, die ihr aus der Patsche helfen würden. Wie wird man denn am schnellsten wieder trocken, wenn man in einen Teich gefallen ist? Man erzählt sich trockene Geschichtelektionen aus der Schule oder macht einen Versammlungs-Wettlauf, das ist so trocken, dass selbst dem Dodo das Gefieder trocknet. Die Wortspiele sind so amüsant, dass es sich wirklich lohnt, beide Texte in dieser zweisprachigen Ausgabe eines der ältesten Kinderbücher zu lesen und man wird auch bald bemerken, dass die deutsche Übersetzung sogar noch um einige Wortspiele reicher ist, als das englische Original. Auch ist die deutsche Version um einiges länger, wie man an der verschiedenen Punktgröße der Schriften erkennen kann, also zwar länger, aber keinesfalls „trockener“, sondern durchaus spritzig und ermunternd sogar.

„Was kann denn nur mit mir passiert sein?“, fragt sich Alice und fügt erklärend hinzu: „Früher, wenn ich Märchen las, dachte ich immer, dass solche Dinge sowieso nie geschehen könnten, und jetzt stecke ich mittendrin!“ Auch dem Leser wird es bald ähnlich ergehen, denn die Einfälle von Lewis Carroll sind tatsächlich sehr schrill und man versteht bald, warum Alice im Wunderland in den Sechzigern zu einem Kultbuch wurde, wie auch der eingangs zitierte Song von Jefferson Airplane oder Hunter S. Thompson „Fear and Loathin` in Las Veges“ beweisen. Spätestens dann, wenn ein „caterpillar“, eine Raupe, auf einem Pilz sitzt und Wasserpfeife schmauchend mit Alice über „Empfindungen“ beim Stadienwechsel (Groß-Klein oder Raupe, Kokoon, Schmetterling) diskutiert, wird der Groschen fallen und manch einer wird den Rat der Raupe beherzigen: „Eine Seite macht dich größere, die andere macht dich kleiner…“. Die Wahl liegt natürlich bei Alice!

Bald erfährt Alice von der Herzogin, dass auch Katzen grinsen können und sie nur wenig wisse und auch wenn unserer Heldin die strenge Art gar nicht gefällt, in der ihr dies gesagt wird, hört sie doch nie auf, neugierig zu sein. So unterbricht sie immer dann, wenn andere in den Erzählfluss geraten, was diese natürlich verzweifeln und aus der Fassung geraten lässt. Sicherlich ist Alice ein lästiges Kind und bald bestätigt ihr das auch die Chesire-Katze, wenn sie ihr sagt, dass sie ebenso verrückt sei, wie sie selbst, sonst wäre sie ja wohl nicht in dieses „Wunderland“ gekommen. Beim Teekränzchen mit der Schlafmaus, dem Hutmacher, dem Märzhasen u. a. begreift Alice die Wahrnehmung von Zeit und deren wahre Dimension, bis sie endlich zur köpfenden Königin vordringt, die bald auch über Alice Gericht hält. Und die Moral der Geschicht`?

„Sei was du scheinen würdest“, sagt ihr die Herzogin oder besser noch: „Bilde dir niemals ein, nicht anders zu sein, als was es anderen erscheinen könnte, dass was du warst oder gewesen sein könntest nicht anders war, als dass das, was du gewesen warst, ihnen als anders erschienen wäre.“ Alles klar?

Besonders das Vergleichen macht bei dieser Ausgabe von Alice im Wunderland
Spaß, denn man sieht wie viel eine Übersetzung positiv oder negativ verändern kann. Nur zwei Beispiele möchte ich geben. Im O-Text heißt es: „We called him Tortoise, because he taught us.”, auf Deutsch: „Wir nannten die Schildkröte Schaltier, denn sie schalt hier und da, darum.“ Oder an einer anderen Stelle: „Drive on, fellow!“, während das auf Deutch viel cooler klingt: „Fahr zu, alte Kutsche!“ Ein Beispiel für eine weniger gelungene Übersetzung wäre allerdings folgende Textstelle: „(…) the different branches of Arithmetic, - Ambition, Distraction, Uglification, and Derision“ wird mit „Ambition, Substruktion, Mufflifikation und Dimension“ ins Deutsche übertragen. Dabei stört mich besonders „Uglification“, das dann zu Muffeln wird, aber eigentlich das Gegenteil von Verschönerung mit, wie originaltextkonform nachvollziehbar ist. Auch „lesson“ und „lessen“ geht der Sprachwitz bei der deutschen Version verloren und natürlich sind auch die Gedichte anders übertragen, was aber nicht heißt, dass die Übersetzung insgesamt nicht als äußerst gelungen zu bezeichnen ist.

Die Erstfassung von Alice im Wunderland erschien 1865 bei Macmillan und Co in London, jedoch folgt die englische Version vorliegenden Textes der Ausgabe „Oxford World`s Classics“ von 1998. Der deutsche Text beruht auf der Grundlage von Antonie Zimmermann, die 1869 bei Hartknoch in Leißzig erschien und wurde für die Neuausgabe von 2008 vollständig neu überarbeitet. Einige Strophen der englischen Gedichte stammen aus Nachdichtungen von Gedichten von Ludwig Uhland und Justinus Kerner. Beim Cover der vorliegenden Ausgabe dürfte es sich um das Original von John Tenniel handeln, das schon 1865 als Illustration des Covers verwendet wurde, auch im Text selbst findet sich ein Verweis darauf, wenn nämlich erklärt wird, wie ein Greif aussehe, würde ein Blick auf den Buchumschlag genügen. Weiters findet sich die Falsche Schildkröte und die blonde Alice mit den Felsen von Dover im Hintergrund auf dem Cover. Um wieder in die „dull reality“ zurückzukehren, reicht es übrigens, die Augen zu öffnen, aber viel schöner lebt es sich doch im „Wonderland“, wie auch Alice`s Schwester, in dessen Schoß sie den Figuren eines Kartenspiels träumte, bald zugeben muss. Es kann eben ganz schön ansteckend sein, die Welt mit anderen Augen, den Augen von Alice zu sehen. „When logic and proportion / Have fallen sloppy dead / And the White Knight is talking backwards / And the Red Queen's “off with her head!” / Remember what the dormouse said; / “FEED YOUR HEAD”.”

Lewis Carroll
Alice im Wunderland
Alice`s Adventures in Wonderland
Zweisprachig
Aus dem Englischen von Angelika Beck

2008
Anaconda Verlag
236 Seiten
ISBN: 978-3-86647-233-4

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2009-02-07)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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