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Jean-Claude Carriere - Die große Zukunft des Buches
Buchinformation
Carriere, Jean-Claude - Die große Zukunft des Buches bestellen
Carriere, Jean-Claude:
Die große Zukunft des
Buches

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(Bücher frei Haus)

Jean-Philippe de Tonnac hat etwas getan, was eigentlich auf der Hand liegt. Aber das, was auf der Hand liegt, wird selten getan. Jean-Philippe des Tonnac hat, quasi zwischen den vielen internationalen Buchmessen, die nicht aufhören, die Ära des digitalen Buches anzukündigen, zwei Experten an den Tisch geholt. Mit dem italienischen Professor für Semiotik und Romanautor Umberto Eco und dem französischen Drehbuchautor Jean-Claude Carrière folgten zwei Saurier aus der traditionellen Buchwelt seiner Einladung. Aus dem Dialog dieser beiden Giganten wurde ein Buch, das zentral um das Thema der Zukunft des Buches kreist und damit viele Fragen erörtert, die uns heute interessieren müssen.

Mit dem Titel Die große Zukunft des Buches machen die beiden Herren von vornherein kein Geheimnis aus ihrer These. Die Argumente, mit denen sie ihren Diskurs beginnen, konzentrieren sich zunächst sehr schlicht und physisch um die Sicherheit dessen, was heute in Büchern übermittelt wird. Die jüngere Geschichte der verschiedenen Datenträger und ihrer ständig abnehmenden Halbwertzeiten gelten für sie bereits als ein Indiz für die bessere Fähigkeit der Buchtradition. Doch schon kurz nach der doch recht überzeugenden, aber auch schlichten Argumentation, zücken Eco und Carrière ihre Schwerter der flammenden Sapienz und zeigen, was sie zu bieten haben. In einer Randglosse weisen sie darauf hin, dass die Wissensselektion das Wesen einer Kultur ausmacht. Nicht nur das, was eine Gesellschaft entscheidet, den Nachkommen zu überliefern, ist eine soziale und politische Tat, sondern auch die Übereinkunft über das, was nicht erhaltenswert ist, gerät zu einem kulturellen Akt.

Die heutige technische Möglichkeit, alles zu speichern, hat die Gesellschaft der Fähigkeit beraubt, einen Diskurs über die Wissensselektion zu führen. Es wird nicht mehr bewusst entschieden, was wichtig ist und was trivial. Die dadurch erzeugte Datenfülle und das in der Herausbildung der kognitiven Fähigkeiten radikal abnehmende Vermögen der Strukturierung, die ihrerseits eine Folge der Selektionsunfähigkeit ist, treibt die Gesellschaft in eine große semantische Paralyse.

Carrière und Eco deklinieren diese These durch verschiedene Aspekte der Überlieferung. Sie zeigen beide deutlich, dass sie trotz ihres fortgeschrittenen Lebensalters nicht technikfeindlich sind, sondern sich sehr wohl der modernen digitalen Kommunikationsmittel zu bedienen wissen und sie in ihrer täglichen Arbeit nutzen. Sie verweisen aber darauf, dass Überlieferung etwas strikt Humanes ist. Damit entwickelt sich keine Diskussion für oder gegen bestimmte Datenträger, sondern um das Wie und Was des historischen Prozesses. Da wird genauso räsoniert über das Geschichtsbildende des dummen Zufalls wie über den Erkenntnisreichtum, der sich aus historischen Irrtümern lesen lässt. Den beiden literarischen Großmeistern gelingt es, die Frage nach Buch oder Chip aus ihrer Naivität zu holen und daraus eine Betrachtung über den argen Weg der Erkenntnis zu machen. Da trifft Epistemologie auf Technik, und es ist klar, dass das Erkenntnistreibende die Oberhand behalten muss.

Letztendlich erscheint die eingangs gestellte Frage nach gedrucktem oder digitalem Buch als eher sekundär. Sehr vieles spricht für eine ungebrochene Zukunft des tradierten Buches, weil dort wohl diejenigen zuhause bleiben, denen der semantische Holismus von Kultur und Überlieferung gedanklich überhaupt noch gelingt. Die Dialoge sind ein tödlicher Stich ins Herz des Positivismus, ausgeführt von zwei nahezu synchron sozialisierten, liebenswerten Figuren des Abendlandes, so wie wir sie schätzen.

[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2012-07-09)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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