Überformatiger Prachtband, zum frivolen Zeitalter passend in feinste Seide gehüllt
„Der Leser der zum Nachdenken neigt, wird aus diesen meinen Erinnerungen ersehen, dass ich nie auf ein bestimmtes Ziel zusteuerte und deshalb nur dem System folgte – wenn es überhaupt eines ist – mich dahin treiben zu lassen, wohin der Wind mich blies“, schrieb der geborene Venezianer Giacomo Casanova höchstselbst in seinen Memoiren. Das Reisen war es, das ihn vielleicht ebenso interessierte wie die unzähligen Frauen und oft genug war es wohl eine Notwendigkeit, schnell wieder zu verschwinden, denn der unersättliche Liebhaber trieb es nicht nur mit Nonnen oder Ehefrauen, sondern auch mit der Aufklärung, damals, im 18. Jahrhundert eine höchst ansteckende und verwerfliche Krankheit. Casanova begegnete auf seinen Reisen nach Wien, Madrid, Paris, London, St. Petersburg so hochrangigen Persönlichkeiten wie Rousseau, Voltaire, Winckelmann, da Ponte und Cagliostro, focht so manches Turnier und floh sogar aus den gefürchteten Bleikammern des Dogenpalastes in Venedig. Für sein liderliches, nomadenhaftes Leben und seine Vergnügungssucht gibt es eigentlich eine ganz einfache Erklärung: seine Eltern waren Schauspieler.
Dabei hätte der junge Giacomo nach dem Willen seiner Eltern eigentlich eine Ausbildung zum Priester in Padua erfahren sollen, und nach Absolvierung derselben arbeitete er als Mitarbeiter des Bischofs von Martirano in Kalabrien. Bald ließ er sich aber von Matteo Giovanni Bragadin adoptieren und bekam durch dessen Wohlstand den Zugang zu den besten Kreisen der italienischen und später europäischen Gesellschaft. Giacomo Casanova (1725–1798), den man ohne Umschweife als so etwas wie den ersten europäischen Kosmopoliten bezeichnet könnte, beschloss sein Leben schließlich auf Schloß Dux in Böhmen, wo ihm ein Herr Graf von Waldstein eine Stelle als Bibliothekar angeboten hatte. Hier fand der Weltgereiste auch die Möglichkeit, sein bewegtes Leben aufzuzeichnen und endlich seinen Frieden zu finden. Der vorliegende Bildband im Großformat (33,00 x 48,00 cm) zeichnet Casanovas Memoiren in frühen Fotografien und handkolorierten Buchillustrationen nach und versucht so, einen Einblick zu geben, auf das, was Giacomo Casanova damals zu sehen bekam. Aber wie auch schon im Vorwort erwähnt wird, registrierte Casanova selbst, die äußeren Erscheinungsformen dieser Städte nur marginal, ihm war schließlich vor allem an ihren Bewohnerinnen gelegen. Natürlich entstanden die ersten Fotografien erst ein knappes Jahrhundert nach Casanovas Reisen, aber auch die Ansichten dieser Zeit, lassen das Wesentliche des Reisens erkennen: es spielt sich immer alles im eigenen Kopf ab.
Die Reisen des Casanova
Texte von Marco Carminati, Giacomo Casanova, Abbildungen von Auguste Leroux
Deutsch, Englisch
2014. ca. 128 Seiten, ca. 50 Abb.
33,00 x 48,00 cm
gebunden
ISBN 978-3-7757-3857-6
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2014-07-15)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.