An den frühen Schriften erkannt man sie bereits oft: die Großen, oder besser gesagt, die zukünftig Großen der schreibenden Zunft. Truman Capote war so einer. Zwar sind seine Beiträge zur Literatur des 20. Jahrhunderts im Nachhinein überschaubar. Von der Grasharfe, über Frühstück bei Tiffany bis hin zu dem Meilenstein Kaltblütig sind es nicht Folianten, die er gefüllt hat, aber ohne seine Beiträge wäre die literarische Moderne erheblich ärmer.
Der in Zürich residierende Verlag Klein & Aber macht sich gegenwärtig mit der Herausgabe der kleineren Werke Truman Capotes sehr verdient. Nach Monroe & Co. sowie Frühstück bei Tiffany liegt mittlerweile auch ein Band vor, der sich Truman Capote auf Reisen. Reportagen Von New York über Tanger bis Ischia nennt und bis auf die letzte Erzählung, die etwas später datiert ist, Reiseimpressionen Capotes beinhaltet, die in den fünfziger Jahren entstanden und so aus der Perspektive eines jungen Mannes in den Zwanzigern geschrieben sind.
Und bereits in diesen Aufzeichnungen zeigt sich, dass Truman Capote ein großartiger Schriftsteller war, der es vermochte, dem Ort seine eigenwillige Perspektive zuzuschreiben, die abwich vom materiellen Klischee. Die Philosophie Capotes ist in allen Impressionen zu lesen: Die Menschen machen den Ort aus. Es gibt keine Geographie an sich, sondern nur etwas, was die Menschen daraus machen. In der Geschichte über New York sind es vor allem die Verlierer, die ihn interessieren, und die sicherlich auch die Mehrheit in jener Metropole ausmachen. In New Orleans sind es die schrägen, bizarren Typen, die jenseits aller Wertordnungen ihre Lebensformen gießen, die Big Easy ihren Stempel aufdrücken. Und auch in Hollywood treffen wir auf Menschen, die ein Paradoxon bestätigen: In der großen Traumfabrik sind es die Desillusionierten, die das dortige Leben beschreiben. Durch Europa reist er wie durch ein Terrarium, in dem er eigenartige Lebewesen beschreibt, die ihn wegen ihrer Skurrilität und Ordnung faszinieren und in der marokkanischen Hafenstadt Tanger findet er genau die Typen, die diesen Ort der Libertinage und Anarchie und des netzlosen Untergangs nicht besser beschreiben könnten.
Truman Capotes Reisebeschreibungen, die daherkommen wie lapidare Charakterdarstellungen, übersetzen, ohne es zu wollen, den deutschen Begriff der Sehenswürdigkeit völlig neu: Orte, denen eine nähere Betrachtung zuteil wird, haben eine Aura, die ihnen durch die Würde der dort agierenden Individuen zuteil wird. Das soziale Wesen ist es, das Orte und Geschichte macht, mit all seiner Fehlerhaftigkeit, seinem Scheitern, seiner Obszönität, seiner Chuzpe und seiner menschlichen Wärme. Dem Mittzwanziger Truman Capote, dem Mann, der aus dem tiefen Süden der USA kam, gelang es vielleicht auch deshalb. Seine Charakterdarstellungen zeitigen eine Meisterschaft, die keines I-Tüpfelchens mehr bedarf. Wer diese Geschichten liest, ist inspiriert und will mehr. Und auch hier regiert das Wertgesetz: Sie sind unschätzbar, weil es ihrer mehr nicht gibt!
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2011-08-26)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.