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Truman Capote - Die Grasharfe
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Capote, Truman - Die Grasharfe bestellen
Capote, Truman:
Die Grasharfe

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(Bücher frei Haus)

Für den jungen Truman Capote brachte sein 1951 erschienener zweiter Roman „The Grass Harp“ den endgültigen Durchbruch. Schon im Jahr darauf erschien eine deutsche Übersetzung, und, wovon man sich im Internet ein Bild verschaffen kann, das Buch wird bis heute gelesen und besprochen. Falls es überhaupt Literatur gibt, die die Zeiten überdauern kann, „Die Grasharfe“ könnte einmal zu den hundert bleibenden Romanen des 20. Jahrhunderts gehören.

Ein Waisenjunge wächst in den 1930ern im Süden der USA bei Großkusinen auf, zwei ledigen alten Damen, die denkbar verschieden sind: Verena die erfolgreiche, dominante Geschäftsfrau – ihre Schwester Dolly die sich unterordnende, romantisch versponnene Kräutersammlerin. Der junge Collin schließt sich Dolly und ihrer schwarzen Freundin Catherine an. Als Verena die Kräuterarzneien der Schwester kommerziell ausbeuten will, kommt es zum Bruch zwischen ihnen, Dolly zieht mit ihren Freunden, zu denen noch zwei weitere aus der Stadt kommen, um in ein Baumhaus vor der Stadt. Es beginnt ein lokaler Krieg zwischen Kapital und Gefühl, zwischen der gesellschaftlichen Ordnung und dem individualistischen Aufbegehren gegen sie. Am Ende sind sowohl die Ordnung wie auch die Revolte zusammengebrochen. Dolly, die bald sterben wird, kehrt zu einer sehr geschwächten und nun offen selbstkritischen Schwester zurück. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive eines älter gewordenen Collin, nachdem auch Verena gestorben ist und er selbst längst woanders lebt. Dabei versetzt er sich in den Seelenzustand des Sechzehnjährigen, der er einmal war.

Könnte ein Buch wie dieses nicht auch heute wieder geschrieben werden, gerade in Zeiten, da die Kritik an der Geldwirtschaft so sehr anschwillt? Ja und nein. Ein heutiger Autor würde die Figuren oft anders sprechen lassen. Sie reden, wenn sie sich gegenseitig einander erklären, wie auf dem Theater, einem sehr altmodischen Sprechtheater mit staubtrockenen Dialogen. Zum Glück wird nicht permanent gesprochen, sondern noch mehr gehandelt. Ein zweiter Fehler: Der junge Capote, der als Autor offenkundig Partei ergreift für die Unangepassten, transportiert mit seinem Text selbst konventionelle Vorurteile. So ist Verena eine Zeitlang geschäftlich wie emotional mit einem windigen Anwalt aus Chicago verbunden, der sie bestiehlt und im Stich lässt. Der Anwalt ist Jude, und diese Eigenschaft wird im Roman öfter erwähnt als alle seine übrigen. Das ist noch kein Antisemitismus, es ist nur am äußersten Rand seines Dunstkreises angesiedelt. Und noch ein Griff in das Schatzkästlein traditioneller Wertvorstellungen: Da gibt es den unsympathischen Big Eddie Stover, dumm, gewalttätig, autoritätshörig und, was in diesem Zusammenhang ganz unerheblich ist, ein uneheliches Kind. Mag sein, dass eine detaillierte Untersuchung des Textes noch weiteres Material dieser Art erbringen würde.

Alles Übrige an diesem kurzen Roman ist jedoch wunderbar: die Darstellung einer kompletten Kleinstadtgesellschaft des Südens, das Auftreten so vieler individuell gezeichneter origineller Gestalten, ihre Psychologie und zwischen den Zeilen auch ihre inneren Abgründe, der Handlungsverlauf zwischen Dramatik und retardierendem Element und nicht zuletzt: die Natur als der alles umfassende und miteinander verbindende Urgrund, poetisch und realistisch zugleich uns vor Augen gestellt.

„Die Grasharfe“, um zu ihrem bleibenden Wert zu kommen, steht am Anfang einer Kontinuität, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Ländern des Westens begann und bis heute nicht abgebrochen ist. Es ist die Geschichte vom Aufbegehren der Unmaßgeblichen, der Minoritäten, der Seitenströmungen – und von deren Verbundensein mit den Zentren der Zeit, der Gesellschaft, des Lebens. Oder wie der Erzähler es formuliert: „Aus welchen Leiden auch die Welt zusammengesetzt ist – alle Eigenwelten sind gut, sie sind niemals unbewohnbar und gewöhnlich.“

[*] Diese Rezension schrieb: Arno Abendschön (2013-05-27)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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