Achtundfünfzig Jahre ist er mittlerweile alt, der Commissario Salvo Montalbano aus Vigata auf Sizilien. Schon seit einigen Folgen der einzigartigen Krimireihe von Andrea Camilleri setzt sich sein Protagonist mit seinem eigenen Alter und mit seiner Endlichkeit auseinander. Nimmt es da Wunder, wenn der neue, in Italien schon 2009 erschienene Roman „Der Tanz der Möwe“ damit beginnt, dass Montalbano über eine Beobachtung, die er eines Morgens macht, als er auf von seiner Terrasse auf das Meer blickt, in ein tiefes metaphysisches Nachdenken gerät. Er beobachtet eine Möwe, die in einem bizarren Tanz am Himmel kreist, ehe sie zu Boden sinkt und stirbt. Später wird er in dem Fall, den er in diesem Buch zu lösen hat, eine Szene aus den Tatspuren rekonstruieren, die ihn an diesen „Tanz der Möwe“ erinnert und die seine Beobachtung wie eine Prophezeiung erscheinen lässt.
Doch zunächst freut sich vor allem Montalbanos langjährige Freundin Livia auf ein verlängertes Wochenende mit ihm, hat auch schon ganz konkrete Pläne und die entsprechenden Buchungen vorgenommen. Dem Commissario passt das nicht, und so geraten sie schon kurz nach Livias Ankunft in eines ihrer sinnlosen Streitgespräche. Man wundert sich wohl zusammen mit Camilleri, was die beiden nach wie vor an ihrer schwierigen Fernbeziehung festhalten lässt.
Doch man ahnt es schon während Livia für Montalbano den Koffer packen will: aus der Reise wird nichts, weil das Telefon klingelt und Catare ganz aufregt auf seine unnachahmliche Weise meldet, dass Montalbanos Mitarbeiter Fazio spurlos verschwunden ist.
Der Commissario macht sich sofort auf und es vergehen ein Tag und eine ganze Nacht mit rastlosen Ermittlungen, ohne dass er auch nur ein einziges Mal an Livia denkt oder sie gar anruft. Doch die erfährt zwischendurch von Catare, dass es sich um die Suche nach Fazio handelt, hinterlässt Salvo einen verständnisvollen Brief und reist wieder ab.
Montalbanos Ermittlungen ergeben, dass Fazio offenbar in einen Hinterhalt geraten ist. Im abgelegenen Ödland der Mafia findet er zwei Leichen, die große Rätsel aufgeben. Im Laufe der Handlung, als Fazio, nachdem er schwerverletzt aufgefunden wurde, in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, begegnet Montalbano einer jungen Pflegerin, die sich außergewöhnlich entgegenkommend zeigt.
Doch obwohl er immer wieder an sich selbst zweifelt, und sein zweites Ich, mit dem ihn Andrea Camilleri auch in diesem Buch immer wieder diskutieren lässt, ihm rät , sich in den Ruhestand versetzen zu lassen, spürt er gleich, was da gespielt wird. Für den Leser wird das aber wie immer erst etwas später deutlich.
Und wieder einmal wählt Montalbano die schwierige, gefährliche, unbequeme und seine Karriere aufs Spiel setzende Variante, um den Fall zu lösen.
Camilleris Biographie bei wikipedia entnehme ich, dass es zur Zeit noch sechs Romane der Serie gibt, die noch nicht übersetzt sind. Da können sich alle Freunde von Montalbano noch die nächsten Jahre auf gute Bücher freuen.
Andrea Camilleri, Der Tanz der Möwe. Commissario Montalbano erblickt die Wahrheit am Horizont, Lübbe 2014, ISBN 978-37857-2499-6
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-05-08)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.