„Ich spucke auf Deine Bücher. Was nützen dir denn all deine Bücher, wenn sie dir das nicht sagen können?“, herrscht Zorbas den jungen britischen Schriftsteller Basil an, der nach Griechenland gereist ist, um seine Wurzeln zu entdecken und sein Erbe, eine Braunkohlemine anzutreten. Warum ein Mensch so jung sterben muss, warum man überhaupt sterben muss, das will Zorbas nicht verstehen und wenn es darauf auch keine Antwort in den Büchern von Basil gibt, dann haben auch sie keinen Sinn. Aber das Leben macht doch Sinn und Zorbas sucht ihn vor allem in überbordender Aktivität, die scheinbar keinen Sinn zu haben scheint. Alexis Zorbas will vor allem eines: überleben, denn er hat schon einige Gefahren überstanden und sein Oberkörper ist übersät mit Narben.
„Zorbas“ der Film spricht viele Tabuthemen der damaligen griechischen Gesellschaft an. Nicht nur, dass Alexis im Krieg gegen die Türken sogar Frauen geschändet und Männer fürs Vaterland gefoltert hat wird angesprochen, sondern auch in welch schrecklichem Zustand sich die Zivilgesellschaft befand. Damals war Griechenland zwar noch nicht Opfer der Obristen-Militärdiktatur (1967-74) geworden, aber, dass die Dorfbewohner in ihrer Armut sich an archaischen Riten festhalten und die Ausländerin, die Französin „Popolina“, Madame Hortense (Lila Kedrova) sobald sie gestorben und noch gar nicht richtig kalt ist, ausrauben und ihrer alles, außer dem Bett, in dem sie tot liegt, unter dem Hintern wegstehlen, ist wirklich bestürzend. Ein wirklich barbarisches Schauspiel, das einen zerrüttet zurücklässt und worüber man mit Basil nur den Kopf schütteln kann. Mindestens ebenso grausam, nein, noch viel schlimmer, ist aber, wie die junge Witwe (Irene Papas) behandelt wird. Sie hat eigentlich gar nichts getan, außer dass sie schön und alleine ist und keinen ihrer Freier aus dem Dorf erhören will, auch nicht den jungen Sohn des Bürgermeisters. Nur ein Verrückter hält zu ihr und versucht sie zu verteidigen, zumindest bis Zorbas sie aus den Fängen der Dorfbewohner befreit. Doch dann wird sie hinterrücks abgestochen, sie stirbt, weil der Sohn des Bürgermeisters sich umgebracht hat, dabei war dies nicht ihre Schuld. Ihre Schuld ist allein die, dass sie sich eine Nacht mit einem Ausländer, Basil eingelassen hat und dieser tut nichts, aber schon gar nichts, sie vor ihrem Unheil zu bewahren, obwohl er unmittelbar die Nacht zuvor mit ihr verbracht hat.
Das eigentliche Problem der beiden Männer, Basil und Zorbas, ist aber das Bergwerk, denn sie brauchen dringend Bäume und die sind im verkarsteten Griechenland sehr rar. „Der Wald gehört dem Kloster, das Kloster gehört zu Gott, aber Gott gehört doch uns allen, oder?“ So erklärt sich Zorbas jedenfalls, dass Eigentum eigentlich Diebstahl ist und fühlt sich gar nicht als Dieb, als er die Bäume stiehlt und mit dem Geld von Basil beginnt, eine Schafbergbahn auf den Hügel zu bauen, um die Bäume von oben nach unten zu transportieren. Die Bäume brauchen sie für das marode Bergwerk, das Basil geerbt hat, denn sie sollen als Stützbalken für den gefährlich morschen Tunnel in den Berg dienen. „Boss, spiel doch nicht den Wohltäter“, ermahnt Zorbas seinen Freund Basil „und benimm dich endlich wie es sich für einen verdammten Kapitalisten gehört“. Die Rollen sind klar aufgeteilt und einzig der sympathische Wahnsinnige Zorbas bringt alles durcheinander, auch die Freundschaft der beiden, als er sich in die Stadt absetzt und das Geld von Basil mit einer Hure verjubelt.
„Eines aber hast du nicht gelernt: den Wahnsinn. Ein Mann muss ein kleines bisschen wahnsinnig sein, damit er die Courage hat, das zu tun, was er tun will.“, erklärt Zorbas seinem ausländischen Freund vor seiner Abreise und wahrscheinlich war dies die einzige Möglichkeit in den damaligen Krisenzeiten zu überleben. Aber Zorbas ist wirklich kein Kind der Traurigkeit, denn wenn er traurig ist, beginnt er zu tanzen, so, wie damals, als sein Erstgeborener mit drei Jahren starb. Traurig sein und tanzen, das gehört in diesem Film zusammen, es ist gleichsam das Motiv dieses Dramas, das einen manchmal zum Lachen und manchmal zum Weinen bringt. Als nämlich Basil weiß, dass er wieder nach England zurückkehren muss und Zorbas und er sich nie mehr wiedersehen werden, fragt er ihn, ihm das Tanzen beizubringen und so klingt ein mitreißender Film mit der wundervollen Musik von Mikis Theodorakis` Sirtakiklängen aus. „Hey, Boss, hast du jemals etwas gesehen, dass etwas so bildschön zusammengekracht?“ Was kümmert Zorbas seine Seilbahn, wo er doch ein volles Glas Wein und eine Lammkeule in der anderen Hand hat, aus der er die Zukunft lesen kann?
Mit der Musik von Mikis Theodorakis. Ausgezeichnet mit drei Oscars. GR 1964. Drama mit Anthony Quinn, Alan Bates, Irene Papas u.a. R: Michael Cacoyannis. Spr.: D/E/Sp. Sub: Div. 136 Min. FSK 16. DD 2.0. Zweitausendeins Edition. Kg. DVD
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-03-06)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.