„Ich habe zu viel Achtung vor der Liebe, als dass ich in gewisse Etablissements gehen würde. Ich habe nie ohne Leidenschaft geliebt.“, heißt es in Louis Bunuels Literaturverfilmung des aus dem Jahre 1898 stammenden Romans „La Femme et le Pantin“ von Pierre Louys, was zu Deutsch so viel heißt wie: „Die Dame und der . Hampelmann.“
Mathieu (Fernando Rey, der sehr oft bei Bunuel Hauptrollen bekommen hat) verliebt sich in die femme fatale Conchita (nomen est omen, Carole Bouquet) und geht an ihr zugrunde. Die Erzählstruktur ist in diesem Film aus dem Jahre 1977 durch eine Zugfahrt strukturiert, in der Mathieu in einigen Rückblenden seine fatale Liebe erklärt. Er ist quasi dazu gezwungen, Rechenschaft vor den mitfahrenden Reisegästen abzulegen, weil er kurz vor Abfahrt des Zuges Conchita einen Kübel Wasser über den Kopf geschüttet hat. Der Rahmen seiner Erzählung wird also dadurch spannend gehalten, dass man nicht weiß, ob sie am Ende seiner Ausführungen nicht doch wieder zurückkehrt. Zu seinen Zuhörern gehören – wohl nicht ganz zufällig - ein Richter, ein Psychologe und eine Mutter mit ihrem Kind. In der ersten Rückblende lässt Conchita im Park ein weißes Taschentuch fallen und Mathieu – Gentleman der alten Schule - bückt sich sogleich und riecht daran und weiß, sie will ihn empfangen. Conchita ist auch laut Selbstbeschreibung eine femme fatale: sie kann nicht kochen, sie kann nicht putzen, sie kann nur tanzen.
In einer ärmlichen Wohnung lebt sie mir ihrer Mutter zusammen und die beiden Damen versuchen sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Einmal bleibt der Bademantelgürtel an einer Stuhllehne hängen und die Kamera schwenkt nach, denn Conchita verkauft sich nach wie vor als „massita“, was so viel bedeutet wie „unversehrt“. Sie weiß, dass ihr Marktwert höher liegt, wenn sie sich als Jungfrau ausgibt. Im Haus von Mathieu tappt eine Maus in die Mäusefalle und der Zuseher weiß, dass die eigentliche Maus in der Falle Mathieu ist, denn Conchita schnappt bald ebenso zu. Er will zwar die Mutter zur Kupplerin machen, aber Conchita lässt sich nicht kaufen und reist ab. Und steigert so ihren Markt preis nochmals. Man sollte beim ersten Rendezvous niemals warten, wird Mathieu von seinem Diener ermahnt. „Sie sind ein Sack voller Exkremente“, antwortet dieser nach seiner Meinung über Frauen befragt. Ist es das, was sich in dem rätselhaften Jutesack befindet? Eine tote Fliege im Glas oder ein Mann der einen Jutesack durch das Bild trägt gehören zur absurd wirkenden Ausstattung des Films des Meisters des absurden Humors ebenso wie Flamenco-Szenen bar jeder Kleidung. Conchita versteht eben ihr Geschäft: „Wenn ich dir alles gäbe, was du willst, würdest du mich nicht mehr lieben.“ Aber das gilt wohl ohnehin für beide.
„Dass wir nackt vor Touristen tanzen, das wissen selbst die kleinen Kinder.“ Aber sie hat das alles doch nur getan, um unberührt zu bleiben, für ihn. Mathieu wird von Conchita so lange an der Nase herum geführt, bis aus dem Jutesack Nachthemd und Häkelsachen gezaubert werden und die Terroristen alles in die Luft jagen. Aber wird Mathieu Conchita dann endlich für sich alleine haben?
Die Filme des spanischen Regisseurs der vor der Flucht vor Franco nach Mexiko auswanderte werden von Studiocanal 2017 neu als DVD und BluRay herausgegeben. Sie können sowohl einzeln als auch in einer eigens hergestellten Louis Bunuel Edition (mit sieben seiner bekanntesten Filme und acht Stunden Bonusmaterial) erstanden werden. Andere Filme von Bunuel gibt es auch in der Reihe „Arthouse Close-Up“ als 3er schuber.
Luis Buñuel
Dieses obskure Objekt der Begierde
(Originaltitel: Cet obscur objet du désir)
DVD, Drama, Frankreich / Spanien 1977, ca. 99 Minuten, FSK 16
EXTRAS: Filminformationen als PDF; Fotogalerie; Trailer; Wendecover
Mit Fernando Rey, Carole Bouquet, Ángela Molina, Julien Bertheau
Sprachen/Ton: Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch (Mono DD)
EAN 4006680052113
Studiocanal
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-12-09)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.