Die vorliegenden Storys erschienen im Original unter demselben Titel 1983 als Sammelband und zuvor in Magazinen wie dem L.A. Weekly (Los Angeles) oder High Times (New York). In seinem unvergleichlichen, lakonischen Ton eröffnet Charles Bukowski – hier im Alter von etwa 53 Jahren – auch dem eingebranntesten Spießgesellen wieder neue Perspektiven auf den amerikanischen Alltag. „Wer solange überlebt hat, braucht keinen Rat mehr.“
Vom Leben, würde ich sagen
Bukowski kreidet nicht nur Polizeigewalt an („Mach was dagegen), sondern auch seine eigenen Spießgesellen. In „Neunhundert Pfund“ schimpft er über die Schriftsteller, die sich von ihren Frauen aushalten lassen und sich „mit Leib und Seele“ verkauften. „An einem Schriftstellerleben war nichts dran, was man glorreich finden konnte. Und am Leben eines Trinkers auch nicht.“ Drei Viertel der ersten Gattung in Hollywood und Los Angeles würden sich verkaufen wie Prostituierte. Talente waren ohnehin dünn gesät oder waren auch nicht immer gleich gut. In „Die Verrohung der Sitten“ kreidet er den allgemeinen Untergang und besonders den der Menschheit an, wenn sie im Krieg Millionen von Menschen killen und dafür Auszeichnungen bekommen. „Die Hälfte aller Menschen auf der Welt wird den Hungertod sterben, während wir dasitzen und es uns auf der Mattscheibe ansehen.“ Und worüber schreibt Bukowski? Eine Anruferin, die Yoga und Meditation unterrichtet will es genauer wissen. „Ach Gott, ich weiß nicht. Hört sich vielleicht abgeschmackt an, aber – über das Leben würde ich sagen.“
Ram Da Beetle oder „Goodbye, Buddha!“
In einer anderen Geschichte spricht Henry Chinaski, das alter ego von Bukowski, allen Außenseitern dieser Welt aus dem Herzen: „Da haben Sie recht. Ich bin nichts Großartiges, aber ich bin anders“. Bukowski weiß genau was eine gute Geschichte braucht und so mixt er Sex- mit Gewaltszenen, aber nicht ohne dabei auf den Looser-Bonus zu setzen. Denn es sind nicht immer die Gewinner, die bei den Frauen absahnen. Jedenfalls nicht bei den Frauen, die er und seinesgleichen bevorzugen. Schließlich ist er ja kein Ram Da Beetle, der unten in San Diego ein großes Zelt aufstellt und für ein fünftägiges Seminar hundertfünfundsiebzig Dollar (heutiger Wert dreihundertfünzig Euro pro Tag) abcasht. Nein, Bukowski hat wirkliche Probleme: „Das Wartezimmer war voll von Leuten, die keine wirklichen Probleme hatten – Tripper, Herpes, Syphilis, Krebs usw. Ich ging zum Schreibtisch der Arzthelferin“. Auf seinem Weg durch die Abgründe und Hurenhäuser L.A.s begegnen ihm die abgefahrensten Typen, Säufer und Groupies, aber auch viele „typische Mädchen vom Lande“, wie er schreibt. In „Tod des Vaters I und II“ wird es autobiographisch, in „Seitensprung eines Amateurs“ lässt er Ted und Victoria bei einem Pferderennen hochgehen. Bis an die Decke. „Goodbye, Buddha!“
Charles Bukowski
Hot Water Music
Storys
Aus dem Amerikanischen Englisch von Carl Weissner
2020, KiWi-Taschenbuch, 288 Seiten
ISBN: 978-3-462-04583-3
Kiepenheuer & Witsch Verlag
9,99€ (D) / 10,30€ (A)
[*] Diese Rezension schrieb: juergen.r.weber@gmai.com (2021-02-02)
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