Nach seinem umstrittenen ersten Buch "Lob der Disziplin", das in Deutschland eine nicht unerhebliche Erziehungsdebatte auslöste, legt der ehemalige Leiter des Eliteinternats Salem am Bodensee, Bernhard Bueb, nun nach. Hatte er in seinem ersten Buch das generelle Fehlen von Werten wie Disziplin, Ordnung und Zuverlässigkeit in der ganzen Erziehung beklagt und dabei einen Verfall von bestimmten Werten als Folge der Studentenbewegung und ihrer Auswirkungen auf die Pädagogik und das Zusammenleben der Menschen als Hauptursache identifiziert, widmet er sich im vorliegenden Buch hauptsächlich dem Erziehungssystem Schule und definiert "Neun Gebote der Bildung." Insbesondere hat er dabei die Person, die Rolle und die Aufgaben eines Schulleiters im Blick. Er zieht von dort auch Fäden zur Führungsrolle von Lehrern und Eltern, wenn er schreibt:
"In der Erziehung ist Führung durch Vorbild der Königsweg. Wenn Kinder und Jugendliche folgen, weil sie so sein wollen wie die für sie Verantwortlichen, der hat schon gewonnen. Die Gefährdung aller Vorbilder ist pharisäische Selbstgerechtigkeit. Das einzige Heilmittel dagegen ist Humor. Niemand kann Vorbild sein, dem es an Humor fehlt.
Obwohl Vorbildlichkeit eine so zentrale Rolle in der Pädagogik spielt, kann jeder Vater, Mutter, leider auch Lehrer oder Schulleiter werden, ohne dass seine Eignung an dem Kriterium gemessen wird, ob er ein Vorbild sein kann. Vater oder Mutter zu werden gilt als Menschenrecht; lediglich formale Einwände kann der Staat dagegen erheben. Die Anstellung von Lehrern und Schulleitern könnten die zuständigen Autoritäten davon abhängig machen, ob sie zum Vorbild taugen. Sie tun es jedoch ganz selten. Die Wirkung als Vorbild gewinnt durch Ausstrahlung, exzellenten Verstand, Kreativität, starke Persönlichkeit, aber auch durch Intuition, Empathie und Gespür für Ideen, deren Zeit gekommen ist. Es sind angeborene Begabungen, die für Führungspositionen höchst nützlich sind, aber nicht vorausgesetzt werden können. Unter dem Begriff emotionale Intelligenz lassen sich diese Eigenschaften zusammenfassen. Menschen mit solchen Begabungen werden mit Recht in höhere Führungspositionen berufen. Ihnen ist aber trotzdem zu raten, das nötige Handwerk zu lernen."
In neun Kapiteln schlüsselt Bueb auf, worin er gute Führung in der Schule sieht. Lehrer sollten ihren Schülern ein Vorbild sein und der Schulleiter seinen Lehrern. Dabei geht er selbstverständlich davon aus, dass Menschen Führung brauchen, sowohl die Kinder als auch die Mitglieder eines Kollegiums. Durch den Missbrauch von "Führung" im Nationalsozialismus werden jedoch auch bei der Bewertung dieses Buches noch viele alte Mechanismen der political correctness einrasten und ausrasten. Dabei ist Leitung und Führung ein urdemokratisches Prinzip und das, was Bueb an vielen gelungenen Beispielen ( z.B. der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden ) beschreibt, selbstverständlicher Teil der Alltagsarbeit vieler Eltern und Chefs.
Leider aber ist es noch eine Minderheit. Doch Bueb hat Hoffnung, die der Rezensent teilt:
"Ich möchte mit einer Vorhersage schließen: Wenn sich das Selbstverständnis und die Rolle von Schulleitern und Lehrern soweit ändern, dass sie Führung akzeptieren als einen Weg, die Qualität von Schule zu verbessern, so werden wir vielen Reformversuchen der letzten 30 Jahre zum Durchbruch verhelfen. Und es gibt eine Hoffnung: Die Erkenntnis, dass gute Führung Segen bringt, hat auch die Schule erreicht. Wenn sich in Zukunft an Schulen eine Führungsstruktur entwickelt, dann werden Schulleiter und Lehrer auch Politik als ihre Aufgabe verstehen und sich für die Interessen der Schule stark machen. Victor Hugo wird der Satz zugeschrieben, nichts sei so erfolgreich wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Ich glaube, das die Zeit für gute Führung an Schulen gekommen ist."
Dem Buch ist zu wünschen, dass seine wichtigen Thesen durch die Diskussionsbarrieren der political correctness auch in die Lehrerschaft durchdringen.
Vieles was Bueb erläutert, gilt auch für Eltern, die dieses teilweise sicher provokante Buch mit ebensolchem Gewinn lesen können wie Lehrer.
Bernhard Bueb, Von der Pflicht zu führen, Neun Gebote der Bildung, Ullstein 2009, ISBN 978-3-548-37309-6
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-12-16)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.