Der New Yorker Ausnahmekünstler wäre dieses Jahr 50 geworden und aus diesem Grund widmet ihm die Fondation Beyeler eine ausgedehnte Ausstellung und der Kunstverlag Hatje Cantz diese hier vorliegende Werkschau in einem hochwertigen Kunstband. Jean-Michel Basquiat hatte eigentlich als Graffiti-Sprayer in New Yorks Untergrund angefangen, noch bevor es modern war, sozusagen, und man - so wie Banksy - Millionen damit scheffeln konnte. Das ist Basquiat aber trotzdem gelungen, er war mit 22 schon Millionär, vielleicht war das ja schon der Anfang vom Ende? Entgegen vieler Legenden war Basquiat aber kein armes, haitianisches Ghetto-Kind, sondern kam aus gutem Hause (Brooklyn, nicht Bronx) und sprach sogar Französisch und Spanisch. Fremdsprachenkenntnisse sind in Amerika ohnehin ein Kennzeichen guter Herkunft, zumindest was Französisch betrifft. Jedenfalls war Basquiat ein durchwachsener New Yorker und kein Einwanderer, worauf ihn viele teilweise rassistische Journalisten gerne festgenagelt hätten. 1996 gab es einen Film von Julian Schnabel mit Jeffrey Wright in der Hauptrolle, der Basquiat vielleicht nicht ganz gerecht wurde, da er ihn zumeist frustriert und deprimiert zeigt, aber wie sollte eine solche Person ein solches leuchtendes, schrilles Oeuvre geschaffen haben können? Basquiat war wohl beides, ein Paradiesvogel und jemand, dem das schnelle Geld das Genick brach.
„Ungeheuer klug und redegewandt mit einem abgefahrenen Sinn für Humor“, soll Basquiat gewesen sein, erzählt der GQ-Journalist und „1 of the 10 most stylish man“ Glenn O´Brien in einem im Mai in der Schweizer Zeitschrift „du“ erschienen Interview. O´Brien hatte den Künstler noch persönlich kennengelernt und war von der ersten Begegnung an von ihm und seiner Kunst fasziniert. Basquiat hatte sich immer für einen Dichter gehalten, vielmehr als einen Maler, und O`Brien drehte damals auch einen Film mit Basquiat in der Hauptrolle, „Downtown 81“. Basquiat schien der ideale Repräsentant einer Ära zu sein, in der alle das taten, was sie eigentlich nicht konnten, wie John Lurie es einmal ausgedrückt hatte: Musiker malten, Dichter machten Musik, Maler schrieben…Jean-Michel Basquiat war dabei aber ein sehr produktiver „dichtender“ Maler, in einem Jahr produzierte er 200 (!) Gemälde. Das Malen war geradezu seine Obsession, er bemalte alles, was in einem Zimmer herumlag, sogar die Wände, Tischtücher, Servietten, Kleidungsstücke. Basquiat spielte zudem in einer Band, „Gray“, aber davon sind wohl keine Bänder mehr erhalten. 1988 starb er an einer Überdosis Heroin und reihte sich ein, in den „stupid club“ der zu früh Gestorbenen: alle Helden fallen mit 27, Jimi Hendrix, Jim Morrison, Janis Joplin, Kurt Cobain neuerdings (vor schon 16 Jahren!) und eben der 1960 geborene Basquiat, vier Monate vor seinem 28. Geburtstag, am 22.12. Wüsste man es nicht besser, würde man an eine Verschwörung glauben.
„Er konnte mit fünf Dollar einen Secondhand-Laden betreten und wenn er wieder herauskam, sah er aus wie König“, lobt O`Brien den Erfinder des SAMO-Konzepts, kann man etwas Schöneres über einen ehemaligen Freund sagen? Seine Dreadlocks habe er wie ein Geweih oder eine Krone getragen und wenn er ging, tanzte er etwa so wie Muhammad Ali im Boxring: „Dance like a butterfly and sting like a bee“. „Jean-Michel Basquiat war ein Edelmann in einer Zeit, in der der Adel ausgedient hatte, der aufrichtigste Mann, dem ich je begegnet bin“, schreibt O`Brien und fügt hinzu, dass Basquiat nur an Sokrates gemessen werden könne. Auch dieser musste für seine Ideale sterben, indem er den Schierlingsbecher trank.
In Basel werden über 90 Gemälde und zahlreiche Zeichnungen gezeigt. Basquiat war mit 21 Jahren der wohl jüngste documenta-Teilnehmer und nahm die Kunst der Jungen Wilden und der 1990er Jahre vorweg. Die Texte in vorliegendem Band stammen von Dieter Buchhart, Glenn O`Brien, Franklin Sirmans und Robert Storr, zusätzlich kann man ein aus dem Jahre 1985 stammendes Interview lesen. Seine wahre Bedeutung wird man wohl erst im Nachhinein richtig erfassen können, dazu verhilft nicht nur die Fondation Beyeler, sondern auch dieser ausgezeichnete und wunderbar gestaltete Prachtband, der viele Reproduktionen von Basquiats teilweise auch in Großformat wiedergibt. Darunter übrigens auch der berühmte Kühlschrank des Künstlers, der geradezu als Ikone für sein Leben stehen könnte: Basquiat hatte aus einem gewöhnlichen typisch amerikanischen Refrigerator der Sechziger Jahre mit seinem Konterfei ein Kunstwerk gemacht. „Tar tar“ schrieb er drauf, ein Strichgesicht gemalt und unten am rechten Rand, sein Autogramm. Basquiat war gerade 20 Jahre alt und die ganze Welt stand ihm offen. Seine weiteren Kunstwerke sollten aber viel schriller und bunter werden, davon kann man sich auch in vorliegendem Katalog überzeugen. Die Ausstellung läuft noch bis 5. September 2010 in der Fondation Beyeler, Riehen/Basel.