„Wann komm ihr Deutschen wieder?“, lässt der Autor einen Bewohner des westafrikanischen Togos in seinem Nachwort fragen und die Antwort mag wohl gar nicht so verblüffen: „Pour nous dire ce qu`il fait faire“: uns zu sagen, was wir machen sollen. „Das Wunschdenken ist tatsächlich immer stärker als die Wirklichkeit“, wie HC Buch selbst in seinem Buch schreibt. Sein „Roman“ beschäftigt sich jedenfalls mit dem deutschen Kolonialismus des 19. und 20. Jahrhunderts, der die Insel Sansibar als Trumpf im Ärmel benutzte, die anderen Großmächte doch noch einmal auszutricksen. Im März 1890 wurde die „deutsche“ Insel dann doch im Austausch für Helgoland an London abgetreten und damit weitere Chancen für ein weiterhin deutsches Südwestafrika endgültig verspielt. Bismarck soll über diesen Austausch gesagt haben: Hätte Kaiser Wilhelm auf mich gehört, säßen wir heute auf dem Sultansthron“, denn für ihn war Sansibar ein Einfallstor nach Afrika gewesen, so der Autor. Vor diesem historisch verbürgten Hintergrund erzählt HC Buch seine Geschichte, die gleich von drei Protagonisten aus ihrer jeweils ganz eigenen Perspektive erzählt wird.
„Der größte Sexskandal des 19. Jahrhunderts“, so harsch soll ein britischer Historiker über die Liebesgeschichte zwischen dem Deutschen Ruete und der Sultanstochter Emily geurteilt haben, denn als Einheimische hätte sie niemals mit einem Ausländer flirten dürfen, auch nicht von der Terrasse des dritten Stocks herab. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden ist nett erzählt, auch ein paar Suaheli Wörter werden eingeflochten, die die authentische Atmosphäre helfen anzuheizen. So etwas das Wort „Haram“, das nicht mit dem Wort „Harem“ verwechselt werden sollte. Im Gegensatz dazu bedeutet es nämlich „Sünde, die mit Steinigung bestraft wird“. So viel Unterschied kann ein kleiner Buchstabe eben machen.
Der erste auftretende Protagonist, der auch zweimal zu Wort kommt, ist aber ein gewisser Hans Dampf, der für die DDR in Sansibar stationiert ist und dort den richtigen sozialistischen Gang (Unabhängigkeitskrieg Sansibars 1964) überwachen soll, nachdem es dort zu einer Revolution oder wohl besser doch Palastrevolte gekommen war. Sein Arbeitseinsatz ist nicht ganz freiwillig (er ist also kein Subotnik), sondern auch noch privater Natur, weil er sich überflüssigerweise in Fathiya verliebt, die eigentlich schon mit einem der neuen Herren auf der Insel verheiratet ist und von ihm schon zwei Kinder hat. Als Sympathieträger tritt noch eine gewisser Frank auf, Amerikaner natürlich, der wohl ebenso für den Geheimdienst arbeitet, aber Hans Dampf weiß nicht genau für welchen und auf welcher Seite er wirklich ist. Allein diese Konstruktion des Autors, dass ein später als CIA-Agent sich entpuppender Amerikaner zum einzigen Sympathieträger wird ist natürlich sehr fraglich. Aber anderen Lesern mag es dabei vielleicht anders ergehen. Hans Dampf ist ja eigentlich auch nicht so ganz unsympathisch, außer, dass er Che Guevara keine andere Frage zu stellen hat, als was aus seiner Liebe zu Fathiya werden soll. Sein Auftrag: Sansibars Revolutionsregierung jede gewünschte Hilfe zu gewähren.
Allein diese neue Regierung ist gar nicht so revolutionär und richtet sogar ein Massaker unter arabischen Zivilisten an. „Hans Dampf in allen Gassen“ bleibt also nichts anderes übrig, als zu verschwinden und auch seine große Liebe zu retten. „Niemand wandelt ungestraft unter Palmen“, der Spruch von Hans` Großvater bewahrheitet sich am Ende doch, aber ein Hakawati (arabischer Märchenerzähler) hätte die Geschichte dann wohl doch etwas anders erzählt, selbst dann wenn sie wahr wäre. Auch die historisch verbürgte Figur Tippu Tipp,ein berüchtigter Sklavenhändler der Stanley und Livingstone durchs dunkle Afrika führte und später dem deutschen Konsul Dr. Brode seine Lebensgeschichte erzählte, kommt in Buchs Roman über mehrere Seiten hinweg zu Wort. Die ausgewogene Dreiteilung des Werkes von HC Buch nimmt leider etwas von der Spannung, eines sicherlich aufregenden Stoffes, denn allein der Name, Sansibar, beflügelt ja schon die Phantasie. Aber wie schreibt der Verlag so schön: „Ein historisches Verwirrspiel und politisches Kaleidoskop aus der heißen Phase des Kalten Krieges, das, so unglaublich es klingt, Fakten spiegelt und nicht Fiktion ist.“ Und außerdem mit wunderschönen Bildern versehen, sicherlich eines der bibliophilsten der ohnehin schon bibliophilen Ausgaben der „Anderen Bibliothek“ ist.
Hans Christoph Buch
Sansibar Blues
"oder: Wie ich Livingstone fand Roman"
mit Karten und Abbildungen
28.00 Euro, 40.50 sFr
Oktober 2008
Die Andere Bibliothek - Band 287
ISBN:9783821862187
[*] Diese Rezension schrieb: juergen weber (2011-01-26)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.