Der Brockhaus wurde letztes Jahr an den deutschen Mediengiganten Bertelsmann verkauft und die 21. Auflage der Enzyklopädie ist nun wohl noch besser aufgestellt, zumindest was Verkaufsnetz und Werbung betrifft. Aber das braucht es auch, denn die Konkurrenz für Universallexika ist stark, groß und weltumspannend: bei Wikipedia kann man praktisch live zusehen, wie das Wissen wächst und sich verändert, da tut sich ein gedrucktes Werk schon wesentlich schwerer, am Puls der Zeit zu sein und laufend zu aktualisieren. Aus diesem Grund gibt es ja auch eine beigelegte CD-ROM, die auch einen Internetzugang bietet, mit dem man sich laufend auf den neuesten Stand bringen kann. Unersetzlich sind natürlich nach wie vor die kartographischen Beigaben eines Druckwerkes, die nicht nur die olfaktorischen Sinne (der Geruch des Papiers) befriedigt, sondern auch die auditiven (Umblättern der Seiten). Wer Illustrationen liebt und gerne mit dem Finger auf der Landkarte seine Weltreisen unternimmt, wird auf den neuen Brockhaus also kaum verzichten können. Außerdem wer will schon dauernd online sein?
„Das Bild der Welt in unseren Wissensrepräsentationen ist nicht einfach ein Reflex des Außen, sondern zunächst eine Funktion des Innen“, schreibt der Sachbuchautor Olaf Breidbach. Ein Universallexikon funktioniere quasi wie ein ausgelagertes Gehirn, aber Wissen sei mehr, als nur ein Handbuch, denn es wird wesentlich von den handelnden Personen mitbestimmt, verändert, gestaltet, womit wir wieder bei Wikipedia wären. Ein neues Phänomen ist in diesem Zusammenhang auch der Boom von individuellen Universallexika, wie etwa das eines Dr. Ankowitsch (sehen Sie dazu die Rezension auf unserer Buchseite), die Wissen individuell gestalten und vom allgemeinen Wissensstand hin zu einem spezifisch anderen führen. Ein eigentlich unnützes Wissen, da nur für den Autor interessant, wird somit anderen Lesern zugänglich, die sich auf einen anderen Mond begeben, sich quasi in die Umlaufbahn eines Erdtrabanten schießen. Der Journalist Bert Rebhandl, dessen Wissen ich hier auf der Basis eines Standard-Artikels angezapft habe, sieht dies übrigens ähnlich: „Heute wissen wir, dass das Gehirn auch ein Kosmos ist, den wir enthalten und der gleichzeitig uns enthält.“ Diderot und d`Alembert hätten noch versucht das Wissen in den Enzyklopädien zu sichern, inzwischen führe aber kein Weg mehr daran vorbei, dass „Wissen an die Unsicherheit, aber auch den Reichtum der individuellen Existenz gebunden“ sei. Jeder Mensch sei seine eigene Enzyklopädie, ja laut Rebhandl sogar eine „hyperkomplexe Ordnung des Wissens (und Vergessens), und jedes Stichwort, das wir geben, kommt aus einer Autorität, die von der des Brockhaus nicht prinzipiell verschieden ist“. Ein Brockhaus fürs Wohnzimmer und die CD-ROM fürs Büro, wer möchte da noch widersprechen?
Die vorliegende Neuherausgabe des Grossen Brockhaus in einem Band enthält 70.000 Stichwörter, 3000 Fotos, Grafiken, Karten und Tabellen. 60 Bildtafeln geben dem Leser einen Überblick über Kontinente, Städte und Länder. Ein geografischer Sonderteil mit Fotos, Grafiken, Karten und Satellitenbildern erweitert auch Ihren Horizont und lässt weit und tief blicken. Die CD-ROM enthält den kompletten Stichwortbestand und auch zahlreiche Abbildungen.
2009 www.brockhaus.de
1169 Seiten mit vielen Abbildungen
ISBN 978-3-7653-3143-5
39,95.-€
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2009-04-29)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.