Debra Bricker Balken - Americans in Paris. Artists working in Postwar France, 1946-1962
Buchinformation
In den 40er/50ern des vergangenen Jahrhunderts trieb ein gewisser Senator Joseph McCarthy in den USA sein Unwesen. Die "Red Scare" war seine Inszenierung, die ein ganzes Land dermaßen aufstachelte, dass sogar die Angst vor Marsianern davon in den Schatten gestellt wurde. Aber das war natürlich nur einer von vielen Gründen, die viele amerikanische Künstler:innen dazu veranlasste, ihr Land zu verlassen und in Paris eine neue Heimat zu suchen. Die GI Bill ermöglichte es ihnen zudem, in Paris zu überleben, ohne dabei einem regulären day-to-day-job nachgehen zu müssen. Die Grey Art Gallery der NYU erforschte den Zeitraum 1946-1962 und machte daraus nicht nur eine Ausstellung, sondern auch den hier vorliegenden Katalog der Ausstellung in heavy-brick-form. Eine Inspiration!
Jean Seberg trifft auf Jean-Paul Belmondo
Nicht nur faszinierendes Bildmaterial (Fotos von Künstler:innen und Kunstwerken), sondern auch interessante Essays lassen eine Epoche wiederauferstehen, die gerne als klassisches Klischee verwendet wird, um die Beziehungen des Nachkriegseuropa zu den USA zu charakterisieren. Ausgehend von den Akademien, an denen viele studierten, über ihre Ausstellungsorte, ihre ästhetischen Diskussionen oder dem Austausch mit ihren europäischen Kolleginnen und Kollegen zeigt der vorliegende reich illustrierte Kunstband die ganze Bandbreite der fruchtbaren Kooperationen zwischen Aus- und Inländer:innen. Diese bestand eigentlich schon seit dem 18. Jahrhundert und hatte sich besonders zwischen den beiden Weltkriegen als sehr prosperierende Zusammenarbeit für beide Seiten entwickelt. Nach dem zweiten Weltkrieg konnte auf dieser Tradition aufgebaut werden und es entstand nicht nur ein gewisser Jazz Spirit (Kapitel 3), sondern auch ein eigener Filmsektor (Kapitel 4). Die Herausgeber stellen ihren Ausführungen auch eine Chronologie des Untersuchungsgegenstandes voran, sodass die Orientierung leichter fällt. Die Essays zu den ausgewählten Themen zeigen zeitgenössische Fotos und Gemälde. So wird etwa an den Beginn des Kapitels 4 das ikonenhafte Still von À bout de souffle (R: Godard) gestellt, das Jean Seberg an der Seite von Jean-Paul Belmondo auf den Champs-Élysées in Paris abgedruckt. Was könnte die französisch-amerikanische Beziehung jener Jahre besser illustrieren als die US-amerikanische Schauspielerin mit ihrem "Herald Tribune"-T-Shirt und den französischen Schauspieler Belmondo mit Kippe im Mundwinkel?
Auf der Rennbahn mit Bukowski
Die vorliegende Publikation wirkt als gleich auf mehreren Ebenen inspirierend: Malerei, Musik, Film und vieles mehr. Interviews mit Vertretern der Kunstszene beleben das Bild, das wir uns von dieser Epoche machen und zeigen auch intime Details. "I think all these foreigners who came to Paris with the myth of prewar Paris. Especially for the Americans, it was quite the myth of the `lost generation´, Gertrude Stein, Hemingway, Henry Miller, etc.", meint etwa Jean-Robert Arnaud in einem dieser Interviews. Am Ende der Publikation finden sich zudem Kurzbiografien der vertretenen Künstler:innen. Anhand aktuellster Forschungsergebnisse und fundierter Essays präsentiert der vorliegende Hardcover-Band eine wahre Schatzkiste an Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen, Drucken, Fotos und Filmen aus diesen fruchtbaren Jahren, die ebenso in die Geschichte eingingen, wie die legendäre Zeit des Mythos zwischen den Kriegen. Ein faszinierendes Porträt einer versunkenen Epoche.
Debra Bricker Balken, Lynn Gumpert (Hg.)
AMERICANS IN PARIS. Artists working in Postwar France, 1946-1962
Mit Essays von D. Bricker Balken, R. Braggs, E. Capdevila, J. English Cook, L. Gumpert Beiträge von B. Klüver, J. Martin, M. Rachleff
Text: Englisch
2022, 300 Seiten, 270 Abbildungen in Farbe
25,3 x 30,5 cm, gebunden
ISBN: 978-3-7774-3637-1
Hirmer Verlag
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2022-06-05)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.