Felix J. Palma beschreibt in seinem Beitrag über die Fauna der Liebe die hündische Liebe von Segismundo und Laura, aber der Erzähler ist dabei nur der Beobachter, der Voyeur, der seine Angebetete so sehr liebt, dass er es ihr nicht gönnt, von Segismundo verführt zu werden, denn schließlich habe sie Besseres verdient: ihn. Das Ende der Geschichte ist so verzweifelt wie ungerecht, aber wer weiß, vielleicht geht die Geschichte ja noch weiter? Auch der spanische Filmregisseur Pedro Almodóvar kommentiert in seiner Geschichte „Ein Kilo Meeresgetier“ das spanische Verständnis von Liebe. Er versetzt sich in die Lage einer Frau, die mit ihrem Liebhaber sprechen will, der aber nichts anderes kann, als mit ihr zu schlafen. Patty Diphusa, der Pornostar, versucht ihrem Taxifahrer begreiflich zu machen wer sie ist und dann schreibt doch er ihr ein Autogramm mit einer netten Widmung speziell für sie.
Von Berta Marsé stammt die traurigste der hier versammelten Liebesgeschichten. Die Mutter einer Tochter und der Vater eines todkranken Sohnes teilen das Geheimnis ihrer Kinder. Und ohne dass einer der beiden es will, geschieht genau das, was eigentlich nicht geschehen sollte. Die Teenieschnulze zwischen den beiden Kindern beginnt so unvermittelt wie sie endet, schließlich kommt der Begriff „adolescere“ nicht umsonst von „krank werden, an einer Krankheit leiden, heranwachsen, wachsen“. Liebe ist genauso wie die Rebellion einfach ein Teil der Adoleszenz und das müssen sowohl die Eltern als auch die Kinder auf sehr schmerzvolle Weise sehr bald erfahren. Camilo José Cela und Alfonso Canales erzählen in einem Briefwechsel die ungewöhnliche und ruhmreiche Heldentat der Rute von Archidona. Der Titel allein gibt schon einen wichtigen Hinweis auf das in den Briefen beschriebene Ereignis, das vielleicht witzig geschildert ist, deswegen aber noch lange nicht zum Lachen animiert. Männliche Allmachtsträume haben in unserem Jahrhundert einfach nichts mehr verloren. Aber die Information über das Handtuch, das den Hub verkleinert ist natürlich dennoch sehr hilfreich.
Juan Marsé verspricht endlich die romantische Liebe von der man so gerne lesen würde, aber erst in Javier Marias „Liebesnacht“ wird diese endlich vollzogen, nämlich ganz romantisch, in Form von heißen Briefen der Geliebten des Vaters an ihn, den Sohn, der natürlich verheiratet ist und die unüberlegten Angebote ausschlägt, aber dennoch in der Fantasie auslebt. Vielleicht liegt ja genau darin die wirkliche Dimension der Liebe, sich etwas vorzustellen und es dann dennoch nicht zu tun. Rosa Montero stellt die richtige Frage, wenn sie in ihrer Geschichte von der Liebe einer Hässlichen berichtet, die sich zurecht Gedanken macht. „Sodass niemand einen wirklich liebt, weil die Liebe genau das ist: ein Krampf unserer Vorstellung, aufgrund dessen wir glauben, im anderen den Prinzen oder die Prinzessin unserer Träume zu erkennen.“ Und schließlich scheint auch die Protagonistin die Wahrheit der Schönen und Reichen zu kennen: „Mit wem schlafen wir alle, wenn wir mit unserem Partner schlafen?“
Heitere und kuriose Geschichten über das spanische Liebesleben im 20. Jahrhundert, das teilweise Auszüge aus Romanen bietet, oder einen in Kurzgeschichten einfach nur neugierig machen soll auf die Autorinnen und Autoren aus den hispanischen Ländern.
Juan & Juanita. Spanische Liebesgeschichten.
Zusammengestellt von Marco Thomas Bossard
Wagenbach Verlag
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-04-15)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.