Jeder Mensch kann sie haben, die innere Freiheit. Die Freiheit, sein eigenes Leben so führen, wie man es im Einklang mit seiner Seele leben möchte. Nicht das Leben, das andere von mir erwarten, und deren zum Teil fantasierte Erwartungen schon feste Bestandteile meiner eigenen Selbstwahrnehmung geworden sind.
Jeder Mensch kann sie haben, diese Freiheit, wirklich und tief selbst zu sein, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und auch in Konflikten anderen Meinungen und Lebensentwürfen standzuhalten, ohne sich gleich wieder anzupassen.
Das, was viele Menschen noch als Sehnsucht spüren (andere haben es vor lauter Anpassung schon lange vergessen) kann man aber nur erreichen und es dann leben, wenn man bereit ist, sich selbst kennenlernend auf die Spur zu kommen und dabei auch die Schattenseiten anzuschauen. Das scheuen die meisten, und fliehen in die Arbeit, den Stress, das Internet – keine Zeit für sich selbst.
In seinem letzten Buch beschrieb er diese Anstrengung:
„Freiheit gibt es nicht umsonst. Innerlich immer freier zu werden, um auch in unserem Tun frei zu sein, ist, wie wir gesehen haben, ein durchaus anspruchsvoller, zum Teil konfrontativer, manchmal auch schmerzhafte Prozess. Es ist verständlich, wenn Menschen diesem Prozess lieber ausweichen…. Dieser Weg wird, wenn er einmal beschritten ist, eine ganz eigene Dynamik und Kraft entfalten, die Sie tragen und dort halten wird. Eine Dynamik und Kraft, die ausgesprochen heilsam ist und die uns immer tiefer mit uns selbst verbindet.“
Um genau diese Form der Arbeit an sich selbst geht auch in seinem neuen hier vorliegenden Buch, in dem er „die Kunst, die Eltern zu enttäuschen“ beschreibt und Mut macht zu einem selbstbestimmten Leben.
Ich selbst habe in meinem Berufsleben als Pfarrer und Seelsorger viele Menschen, zum Teil selbst schon weit über 70 Jahre alt, kennengelernt, die in einer Weise an ihre Eltern ( die manchmal schon tot waren) gebunden waren, dass ihnen für ein freies und selbstbestimmtes Leben kein Platz blieb.
In seinem klug aufgebauten Text führt er den Leser zu einer solchen inneren Auseinandersetzung mit den alten Mustern, die sie gegenüber den Eltern unfrei machen. Es geht darum, mit den Eltern seinen Frieden zu finden und die Enttäuschungen im Zusammenhang mit ihnen als ein Übungsfeld zu nutzen für eine immer feinere Selbstreflexion und Selbstwahrnehmung.
Er will zu der Erkenntnis führen, dass kein Mensch für das Glück eines anderen erwachsenen Menschen verantwortlich ist, erst recht nicht die Kinder für das Glück ihrer Eltern. Wer diesen Prozess durchlebt und durchlitten hat, wer sich also, wie auch immer, mit seinen Eltern innerlich versöhnt hat, ist in der Regel auch gegenüber anderen ein freier und versöhnter Mensch.
Solange ich mich noch an den Eltern abarbeite, habe ich mich selbst und vor allen Dingen meinen Weg ins eigene Leben nicht gefunden.
Ein kleines Buch, das man schnell gelesen hat, das aber Anregungen bietet für eine innere Arbeit, die sich lohnt.
Michael Bordt SJ, Die Kunst, die Eltern zu enttäuschen. Vom Mut zum selbstbestimmten Leben, Elisabeth Sandmann Verlag 2017, ISBN 978-3-945543-39-9
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2017-11-08)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.