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Norbert Bolz - Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau.
Buchinformation
Bolz , Norbert  - Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau.  bestellen
Bolz , Norbert :
Diskurs über die
Ungleichheit. Ein
Anti-Rousseau.

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(Bücher frei Haus)

Das Thema soziale Gerechtigkeit ist für Bolz vor allem dem Spannungsverhältnis von Freiheit und Gleichheit ausgesetzt und er bezieht sich in seinem Text eigentlich nur zweimal direkt auf Jean-Jacques Rousseau. Zuerst liegt ihm aber daran auch Alexis de Tocqueville, den Verfasser der legendären Schrift über die Demokratie in Amerika, in seine Debatte der heutigen Gegenwart - über die Gegensätze zwischen extremem Reichtum einerseits und der sich ausbreitenden Armut der Unterklasse andererseits - miteinzubeziehen. Als weitere erklärte Feinde des „Anti-Rousseau“ kann man schon nach den ersten Seiten den Wohlfahrtsstaat, die Politische Korrektheit und die Medien nennen. Der Text ist mehr ein Pamphlet, denn eine wirklich philosophisch-politische Abhandlung über Rousseau und vielleicht gerade deswegen so interessant für eine Diskussion über Gerechtigkeit.

Feindbild: Medien
„Die Medien inszenieren den Skandal als demokratischen Schauprozess, den die Zuschauer lustvoll konsumieren.“ Bolz kritisiert, vor allem den Ton, der nicht ein Ton der Kritik sei, sondern der der „modischen Wut“, wahrscheinlich dürfte ihm auch der Begriff Wut-Bürger schon zu Ohren gekommen sein. Entrüstung gelte als Echtheitsbeweis und die berechtigte „Leidenschaft für die Gleichheit“ münde in die „Gleichheit in der Knechtschaft“, befürchtet Bolz. „Je größer die Gleichheit, desto unerbittlicher das Verlangen nach noch mehr Gleichheit“, aber – so Bolz – Gleichheit sei doch nichts anderes als eine Abstraktion. Kultur könne eben nur als ein System der Unterschiede und Humanität nur als Differenziertheit gedacht werden. Es gebe kein Glück ohne die Erfahrung des Unterschieds, und man solle als „Erwachsener“ (sic) nicht Ungerechtigkeit mit Ungleichheit verwechseln. Ungerecht sei nicht die Ungleichheit, sondern dass motivierte Menschen am Aufstieg gehindert werden würden. Besonders eine Allianz aus Marxisten, Politisch Korrekten und „Liberalen, Sozialisten, Humanitaristen“ versuche es zu verhindern, dass den Gerechten Gerechtigkeit widerfahre, denn „Geist, Schönheit, Stärke, Geschicklichkeit, Talent, Fleiß – all das ist ungleich verteilt und lässt sich nicht umverteilen“, so Bolz. Die Massenmedien würden sich einer „rousseauistischen Nostalgie“ (sic) bedienen, in der ein autoritärer Staat die soziale Gerechtigkeit herbeiführen solle.

Feindbild: Medien
Gerade Gleichheit würde Konflikt erzeugen, Ungleichheit hingegen Kooperation, so Bolz, denn als „eine der mächtigsten psychischen Antriebskräfte der westlichen Kultur“ nennt Bolz ausgerechnet die Todsünde „Neid“. Wer in der Gesellschaft keine Anerkennung finde, suche sie eben gegen sie und dann werde aus Neid Fanatismus. „Im Neid droht die Leidenschaft der Gleichheit, die Freiheit zu zerstören“, schreibt Bolz und adressiert damit den Wohlfahrtsstaat, der mit seiner demokratischen Gleichmacherei, gerade diese Untugend erst gezüchtet habe. Leidtragende seien wieder die „Erfolgreiche“, die als „Avantgarde des Konsums“ die anderen antreibe, es ihnen gleich zu tun. Es seien besonders die Knappheit der Positionen schuld, wenn nicht jeder nach oben kommen könne, schreibt er und vergleicht es mit dem Tourismus von Venedig: „Venedig wäre eine Zauberwelt - wenn die anderen nicht da wären. Der Tourist sucht das unvergleichliche und zerstört es, indem er es findet.“ Nicht Armut, sondern soziale Knappheit und erlernte Hilflosigkeit seien „die zentralen Probleme der westlichen Welt“. Die Wohlfahrtspolitik erzeuge Unmündigkeit, also genau jenen gegen den jede Aufklärung kämpfe.

Gerechtigkeit und die „rousseauistische Nostalgie“
In seinem Kapitel „Der Egalitarismus der Medien“ geht Norbert Bolz dann noch ein zweites Mal auf die „rousseauistische Nostalgie“ ein, indem er die Massenmedien bezichtigt, ständig soziale Ungleichheiten zu zeigen, um sich einer von archaischen Gefühlen geleiteten Gesellschaft, in der ein autoritärer Staat sichtbar soziale Gerechtigkeit schaffe, freiwillig zu unterwerfen, um Gleichheit – nicht aber Gerechtigkeit - zu ermöglichen. Die Gleichheit der Menschen sei eine Abstraktion, meint Bolz wenn er den Vergleich des Schachspiels strapaziert in dem zwar alle Bauern gleich stark seien, sich im Spielverlauf aber eine höchst unterschiedliche Wichtigkeit ergäbe. (168) In seinem für unser Thema besonders wichtigen Schlusswort mit der Kapitelüberschrift „Eine mögliche Gerechtigkeit“ behauptet Bolz, dass die Geschichte der Wirtschaftssysteme zeige, dass Produktivität und Kreativität Resultate des Wettbewerbs seien, der natürlich wiederum natürliche Ungleichheiten nutzt und weitere materielle Ungleichheiten schaffe. Gleichheit sei ein „ultimativer Luxusartikel“, den sich nur reiche nicht aber arme Gesellschaften leisten könnten. Daraus folgt für Bolz auch, dass es Glück nur gegen könne, wenn es ungerecht verteilt sei und man solle nicht die Ungleichheit sondern die Privilegien bekämpfen. Bürgerliche Gleichheit müsse heißen: „Jeder hat die gleiche Chance, ungleiche Beiträge zu akkumulieren.“ Man müsse gleiche Chancen haben, ungleich zu werden.

The method to our madness
Bolzs Überzeugung, dass die Ehrlichen, Fleißigen und Erfolgreichen bestraft werden würden entbehrt jeder noch so primitiven Grundüberlegung zur Ausübung von Herrschaft: dass die Elite sich nämlich zunehmend aus sich selbst regeneriert und sozialer Aufstieg dadurch verunmöglicht wird, beweist schon ein Blick in eine ganz normale Tageszeitung. Bolz frägt nämlich nicht, warum die Reichen immer reicher werden, sondern glaubt tatsächlich, dass der Staat den armen Reichen alles „ehrlich“ Erwirtschaftete durch Steuern wegnehmen wolle. Aber die Reichen sind ja genau deswegen so reich, weil es ihre Eltern auch schon waren und sie über die notwendigen gesellschaftlichen Verbindungen verfügen, ihren Reichtum auch noch für die nächste nachkommende Generation zu erhalten und zu sichern. Der amerikanische Sozialwissenschaftler G. William Domhoff schrieb 2006: „(...)it is the purpose to present systematic evidence that suggests that there is a social upper class in the United States that is a ruling class by virtue of its dominant role in the economy and government. It is shown that the ruling class is socially cohesive, has its basis in the large corporations and banks, plays a major role in shaping the social and political climate, and dominates the federal government through a variety of organizations and methods."

Norbert Bolz
Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau.
Wilhelm Fink Verlag 2009

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-05-21)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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