Mit Spannung darf die Ausstellung im Museum für Völkerkunde in Wien, die vom 10. Mai bis 13. September 2010 zu sehen sein wird, bereits erwartet werden. Wer Zeit und Lust hat, kann sich heute schon in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn auf eine „Entdeckungsreise zur Südsee“ machen oder sich durch vorliegenden Ausstellungskatalog des Hirmer-Verlages vorbilden. Die Begegnungen im damals noch unbekannten Pazifik lesen sich teilweise wie ein selbst erlebtes Abenteuer und sind durch Karten und 599 meist farbige Abbildungen illustriert. Darunter befinden sich auch Reproduktionen der Zeichnungen von Georg Forster, der einige der schönsten Südseevögel und -pflanzen als Begleiter Cooks porträtierte. Ein sagenhafter Schatz erwartet den werten Leser, der so viel leichter zu heben ist, als es damals für die Männer Cooks gewesen ist: das Format des Logbuches der Südseeträume umfasst immerhin 25 x 30 cm und der Umfang von 5 cm Dicke lässt einen beinahe an des Heben einer tatsächlichen Schatztruhe denken. Vielmehr noch wiegen allerdings die interessanten Artikel und Erläuterungen einiger namhafter Autoren, die sich mit der Thematik schon des längeren befasst haben.
So beschreibt etwa die Autorin Brigitta Hauser-Schäublin, das mühsame Leben an Bord der Schiffe, mit denen Cook seine Weltreisen unternahm. Abgesehen davon, dass die Reisenden mehr als 27 Monate unterwegs waren und davon nur 6 Monate an Land verbrachten – so etwa geschehen auf der zweiten Reise – durchkreuzten die Schiffe die See oft ohne zu wissen wo sie hinfuhren. Die HM Bark Endeavour hatte etwa nur 32 Meter Länge und 9 Meter Breite und war eigentlich nur ein umgebautes Kohleschiff, wenn auch mit 400 Tonnen Stauraum. Die anderen Schiffe, etwa die HMS Resolution und die HMS Adventure boten zumeist Platz für 80 bis 100 Seeleute und andere Mitreisende wie Wissenschaftler oder Kühe (!), Schafe und Ziegen, sowie Geflügel und Hunde. Neben Skorbut und Geschlechtskrankheiten litt man sehr oft auch unter Rationierungen, obwohl man tatsächlich mehrere Tonnen (!) Lebensmittel eingepackt hatte. James Cook legte besonderen Wert auf die Mitnahme von Sauerkraut, da es ein gutes Mittel gegen Skorbut war (Vitamin C!). Eine Liste des Proviants der „Resolution“ und „Adventure“ gibt auch Aufschluss über die mitgeführten Alkoholvorräte. Immerhin 19304 Liter Bier und 2917 Liter Weiter hatte die Resolution geladen, abgesehen von diversen Spirituosen wie etwa Rum u. ä. im Ausmaß von mehr als 6000 Litern. Aufgrund der hohen Disziplin auf Cooks Schiffen kehrten übrigens die meisten Matrosen auch wieder zurück in den heimatlichen Hafen, so sie nicht einer Südseeschönheit oder anderen Gefahren des Meeres erlegen waren.
„Gender und Sexualität auf Cooks Reisen im Pazifik“ heißt der Beitrag von Margaret Jolly, der mit Bildern von John Webber oder William Hodges illustriert wurde, die auch in ihren Erklärungen eine große Rolle spielen. Das Bild des „Arkadiens der freien Liebe“ will die Autorin nämlich auf dreierlei Weise revidieren. Die Schönheit der dargestellten Tahitianerinnen sei nämlich durchaus auch bedrohlich zu empfinden und zwar vor allem für den heterosexuellen Familienvater der westlichen Hemisphäre. Frauen würden in den Darstellungen damaliger Zeitgenossen gerne als Indikatoren und Katalysatoren der Zivilisation betrachtet. J.R. Forster schrieb gar, dass eine höhere Gleichstellung der Frau die Wilden über den Zustand der Barbarei emporhöben und ihnen ein höherer Status zugestanden werden müsse. Die angeblich so freizügigen Tahitianerinnen seien etwa diesbezüglich von Neukaledonierinnen zu unterscheiden, die keinerlei Absichten gezeigt hätten, sich mit den Weißen zu vereinigen. Die Autorin erwähnt auch die wichtige Rolle von der transsexuellen mahu von Tahiti, denen von klein auf beigebracht wurde, sich wie Frauen zu verhalten und homoerotischen Sex mit Männern hatten, die nicht mahu waren. „Aikane“ wiederum seien junge Krieger gewesen, die ihren Anführern sexuelle Dienste erwiesen und auch in Verhandlungen mit den Briten nicht untätig waren.
Dass Gewalt nicht nur in sexuellen Begegnungen der beiden unterschiedlichen Kulturen eine große Rolle spielte, wird spätestens durch Gundolf Krügers Beitrag allzu deutlich. Nachdem sich über die Freiwilligkeit der sexuellen Hingabe der Tahitianerinnen im Tausch für Waren oder ein höheres gesellschaftliches Ansehen noch diskutieren ließe, sind die gewalttätigen Übergriffe auf die Südseebewohner zweifellos kaum zu rechtfertigen. Die Bewertung der „Anderen“ einerseits als rohe Barbaren und andererseits als „sinnfrohe, edelmütige Wilde“ trägt sicherlich zur Ambivalenz der Betrachtungen bei, wie auch Krüger betont. Nicht zuletzt Forster schrieb, dass „gerade die Völkerschaften am besten weggekommen sind, die sich immer von uns ferngehalten“. Allzu oft galt auch der Vorwurf des Kannibalismus als willkommenes Instrument der Auslöschung indigener Kultur, so etwa auch im Fall der Maori von Neuseeland. Das Stereotyp gab „Kolonisierungs- und Expansionswünschen das gute Gewissen“ ging es von nun an doch auch um einen Zivilisationsgedanken. Georg Forster kommentierte damals treffend: „Was ist der Neu-Seeländer, der seinen Feind im Kriege umbringt und ihn dann frisst, gegen den Europäer, der, zum Zeitvertreib, einer Mutter ihren Säugling mit kaltem Blut, von der Brust reißen und seinen Hunden vorwerfen kann?“
Die drei Weltreisen des James Cook brachten den geborenen Martoner, ein Dorf in Yorkshire, im Alter von 40 Jahren ff beinahe einmal um die ganze Welt. Auf seiner ersten Reise (1768-1771), die ihm aufgrund seiner Verdienste um die Kartographie Neufundlands anvertraut wurde, umsegelte er zuerst das Kap Hoorn und erreichte bald Tahiti. Von dort aus ging es nach Neuseeland, wo Cook bald beweisen konnte, dass es nicht Teil des großen Südkontinents war, wie bisher angenommen worden war. In Australien lief die Endeavour auf ein Riff im Great Barrier Reef auf und blieb vorerst stecken. Die Weiterreise nach Jakarta war so mühselig, dass Cook 60% seiner Mannschaft verlor, bevor sie wieder die heimatlichen Häfen anlaufen konnten. Die zweite Reise (1772-1775) war noch erfolgreicher und Cook wurde von dem deutschen Naturforscher Johann Reinhold Forster und seinem Sohn Georg begleitet. Auf dieser Reise hatte er nicht nur die Welt umrundet, sondern auch die Antarktis weitgehend abgesteckt. Der Mannschaft seines Begleitschiffes, der Adventure, erging es weniger rosig: sie wurde fast gänzlich verspeist. Seine dritte Reise sollte James Cook die Entdeckung der Nordwest-Passage, die man im äußersten Norden Nordamerikas vermutete ermöglichen. Von 1776 bis 1779 war er unterwegs, als ein Zwischenfall auf der hawaianischen Inselkette in der Kealakekua Bay zu seinem tragischen Tod führte. Obwohl sich der Häuptling Kalaniopuu und er ihre Kleidung getauscht hatten, um damit eine Festzeromonie einzuleiten, kam es zum Kampf. Charles Clerke, der Kommandant der Discovery, konnte ein Gemetzel verhindern und brachte beide Schiffe, zurück nach Nordamerika, um endlich die Nordwest-Passage zu finden. Zum Abschluss mag man vielleicht die provokant Frage erlauben, ob es ohne James Cooks Entdeckungsreisen überhaupt eine Aufklärung gegeben hätte. Aber die Antwort darauf steht wohl auf einem anderen Blatt Papier.
Weitere interessante Ausführungen über James Cook, der übrigens selbst Opfer eines Gewaltaktes wurde und daran auch starb, stammen etwa von der Kuratorin Adrienne L. Kaeppler, Nigel Rigby oder Paul Tapsell. Zudem wird in einem eigenen Kapitel die europäische Aufklärung „illuminiert“, der „Aufbruch zu neuen Ufern“ versucht und das Aufeinandertreffen der Kulturen dechiffriert. Eine Vielzahl von Abbildungen der ausgestellten Kunstgegenständen aus praktisch allen Teilen der Welt beschließt diesen Ausstellungskatalog, nicht nur das Seefahrerherz befriedigen wird.
James Cook
Und die Entdeckung der Südsee
Katalogbuch zur aktuellen Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn und im
Museum für Völkerkunde in Wien (vom 10. Mai bis 13. September 2010)