„Le Petit Christian“ ist ein kleiner Junge aus Straßburg, der gerne in die Rollen seiner Comichelden schlüpft, wenn seine Klassenkameraden ihn wieder einmal verspotten. Er hat seine Haare – wohl aus Verlegenheit – in die Stern gekämmt und bewundert nicht nur Schauspieler wie „Sstiefmäquien“, oder John Wayne, sondern auch Comicstars wie Lucky Luke oder Doktor „Dschastiss“. Die vielen hier in vorliegendem Band aneinander gereihten Kurzgeschichten erzählen lustige Geschichten aus seiner Schulzeit, aber auch seinem Privatleben und sind manchmal sogar voll bissiger Ironie. Etwa, wenn ein Freund von Christian ihm bestürzt erzählt, dass sein Großvater im Konzentrationslager gestorben sei, um dann nachzuhaken: „Er ist vom Wachtturm gefallen“. Natürlich spielt das Deutsch-Französische Verhältnis im Elsaß eine große Rolle und Blutch persifliert so manches eingefahrenes Vorurteil über Deutsche oder Franzosen. Auch die strenge Erziehung der Lehrer „Das Gesetz der Hunde“ wird auf die Schippe genommen und erste sexuelle Erfahrungen „Mädchen“ werden thematisiert. Wenn sich Christian mal wieder als „Kaubeu“ verkleidet und mit John Wayne über die Indianer diskutiert, sagt dieser: „Du wirst mir sagen, Indianer ist noch ätzender als Deutscher, weil`s immer `n paar gibt, die Deutscher sein wollen.“ Die Deutschen sind die anderen, heißt es dann aus dem Off, auch wenn der eigene Großvater mal Deutscher war, welche Schmach!
Blutch versteht es, die meisten Themen, die einen als Jugendlichen so beschäftigen durch den Kakao zu ziehen, es ist witzig, wenn plötzlich auch andere „wirkliche“ Comichelden in seinen Erzählungen mitspielen oder wenn es beim Showdown – Christian wird zum Mann – zur verhängnisvollen Begegnung mit dem großen Marlon Brando kommt. Der aus „Tango in Paris“ entsprungene Schauspieler führt nämlich einen grausamen Verliebtheitstest an Christian durch, aber selbst Brando muss vor so einem verliebten Narren bald die Waffen strecken. „Wir überwinden die Naturgesetze“ erzählt Christian dem Brando über die Gefühle, die er mit seiner angebeteten Catie Borie teilt und auch wenn er provoziert wird von Brando, will der nun wohl nicht mehr so „kleine“ Christian, seine Liebe nicht verraten. „Du hast dem Druck widerstanden. Bist standhaft geblieben. Ohne eine Sekunde zu zweifeln. Du bist wirklich würdig, verliebt zu sein.“ Ein klein wenig wird man fast neidisch auf den kleinen Christian.
Vorliegender Comic ist auch eine Zeitreise durch die eigene Jugend des Autors, der im Straßburg der Siebziger aufwuchs und damit voller Anspielungen auf kulturelle französische Errungenschaften, die im Anhang erläutert werden. Dass „Pif“ in Deutschland „Yps“ hieß oder „Boches“ eine herablassende Bezeichnung für Deutsche ist, ist ebenso interessant, wie das Faktum, dass die Melodie zu „My Way“ eigentlich von dem Franzosen Claude Francois stammt und den Titel „Comme d`habitude“ trug. Blutch ist übrigens das Pseudonym von Christian Hincker, der 1967 in Straßburg geboren wurde und für sein Werk 2009 mit dem Grand Prix der französischen Stadt Angouleme ausgezeichnet wurde. Insgesamt also eine lustige Zeitmaschine, amüsant und spritzig gezeichnet und unterhaltsam zu lesen. „Klang, kling, ploff!“