Über eine hochinteressante Figur der Hochrenaissance und der Jahrzehnte danach schreibt der Kunstgeschichtlicher Gerd Blum seine wissenschaftliche Biographie. Über einen Kollegen aus vergangenen Tagen. Denn Giorgio Vasari ist nicht in dem Sinn der „Erfinder der Renaissance“, indem er diese Kulturepoche eigenhändig und alleine erfunden oder gestemmt hätte, wohl aber der Begriffgeber und Namensstifter im nachhinein jener restaurierenden Epoche. Dies im Rahmen einer seiner Spezialitäten (neben manchen anderen), Biographien über italienische Künstler zu verfassen. Über die großen seines Landes, Raffael, Michelangelo, Da Vinci und andere.
Wie im Buch deutlich wird, entsteht im Zuge dieser Künstlerbeschreibungen aus der Feder Vasaris dann auch der Begriff „Renaissance“. Er selber als Maler und Künstler fühlte sich der Antike intensiv zugewandt und verpflichtet und war so Teil jener kulturellen Zeitströmung, der er seinen bis heute geltenden Oberbegriff verschaffte.
Wie diese Nähe Vasaris zur Antike entstand, der künstlerische Werdegang des Mannes mitsamt seinem Hineinwachsen in die Malerei und die Architektur und seine lebenslange Verbundenheit zu den Idealen der Renaissance, das ist der rote Faden im Leben des Künstöers und damit auch im Buch. Eine Nähe, die nicht zuletzt durch die Einschnitte im Leben des Künstlers noch einmal vertieft wurden, wie Blum sorgfältig recherchiert für die Ereignisse des Jahres 1527 („Katastrophenjahr“ für Vasari persönlich und für die europäische Welt an sich) aufzeigt.
Im Sacco di Roma wurde Rom erobert und geplündert, alte Traditionen, vor allem Gönnerschaften und das Mäzenentum brachen zusammen. Auch Vasari verlor seine Gönner zunächst, die Medici wurden aus Florenz vertrieben. Eine Zeitenwende, die auch die Hochrenaissance als kunsthistorische Epoche beendete und auch für den damals 16jährigen Vasari vor Augen führte, dass die Hoffnung auf eine Synthese von (heidnischer) Antike Christentum in versöhnter Friedfertigkeit vordergründig zunächst gescheitert war. Eine Hoffnung, die Vasari dennoch nicht aufgab und der er sich weiterhin verschrieb.
So entwickelte sich Vasari mehr und mehr zu einer Art „Gralshüter“ der Renaissance, ihrer Ideen und ihrer Künstler, deren Schaffen er in seinen vielfachen Biographien zu deuten verstand, damit quasi die „Kunstgeschichte“ begründete und in seiner eigenen künstlerischen Arbeit der Verehrung der Antike treu blieb. Viele Bilder und Bilderzyklen, aber auch die Uffizien, die er als Architekt verantwortlich entwarf, künden bis heute von seiner Schaffenskraft in auch geistesgeschichtlich und künstlerisch spannungsvollen Umbruchzeiten.
Gerd Blum verfolgt den Lebensweg des Giorgio Vasari minutiös, stellt dessen Entwicklung, Denken und Schaffen, chronologisch geordnet und durchaus verständlich lesbar dar (auch wenn das Buch über einige Strecken hinweg sehr trocken daherkommt) und bindet Vasari immer wieder ein in die kulturelle und geistige Gesamtentwicklung zwischen Reformation und Gegenreformation jener Jahrzehnte. Mit viel Akribie und einigen schönen Abbildungen versieht Blum seine Darstellung. Vor allem das Kapitel über Vasari als „Vater der Kunstgeschichte“ und die Darstellung seiner „Viten“ (Biographien) nimmt hier (wenn auch nur auf knapp 20 Seiten) einen wichtigen Platz im Buch ein.
Das Buch kommt nicht im Gewand eines Unterhaltungsbuches daher, die wissenschaftliche Herangehens- und Ausdrucksweise ist jederzeit deutlich erkennbar, beinhaltet aber umfassende Informationen über das Leben und die Persönlichkeit, die Prägungen und die Ideale Giorgio Vasaris und zeigt ebenso umfassend eine ganze Epoche der Kunstgeschichte auf, in der die Kunstgeschichte durch Vasari begründet wurde. Jedem Kunstinteressierten ist das Buch reinweg zu empfehlen, gerade in der hervorragenden Darstellung und Einordnung der Epoche am Ende der Renaissance.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2011-06-07)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.