„Sex an sich, wenn es sich ergibt, bedeutet überhaupt nichts“, sagt Daniela (Blanca Lewin) und Bruno (Gonzalo Valenzuela) schaut sie bestätigend an: „So wie das hier?“ „Ja“, antwortet Daniela, „ genauso, so wie das hier“. Die beiden haben sich auf irgendeiner Party kennengelernt und sich gegenseitig in ein Hotelzimmer abgeschleppt und nach der ersten Runde Sex, die in freizügigen Bildern und mit ebenso freizügiger Tonkulisse instrumentiert wird, beginnen sie miteinander zu reden. Das ist nie gut, denn wenn man sich erst einmal richtig kennenlernt, dann geht es plötzlich doch nicht mehr „nur“ um Sex. Daniela jedenfalls glaubt anfangs noch die beiden Dinge, Sex und Liebe, trennen zu können, doch je näher sie sich kennenlernen, desto unwahrscheinlicher wird es, dass sie sich am Ende wirklich trennen.
Die beiden machen den ganzen Film über nur das, was sich Paul (Marlon Brando) von Jeanne (Maria Schneider) in Bertoluccis „Der letzte Tango in Paris“ (1973) so sehnlich gewünscht hatte: in diesem Zimmer, in diesem Bett, gibt es nur sie beide und sonst nichts. Doch dann bricht auch für sie die Außenwelt herein und die Schönheit des Augenblicks wird zerstört. Der perfekte Moment, der denkwürdige Augenblick beginnt sich aufzulösen in den üblichen Kleingeistereien, es beginnen die Fragen nach Dingen, die einen eigentlich gar nichts angehen und die man auch nicht wissen will. „Wie ist Dein Nachname?“ frägt Bruno Daniela und sofort verwickelt sie ihn in einen Eifersuchtsanfall, weil sie behauptet, er frage sie doch nur danach, weil er sich ihren Vornamen nicht gemerkt habe. Auch als er sie viel später beim Sex versehentlich Francesca, nach seiner Exfreundin, nennt, löst er bei ihr einen erneuten Anfall aus. Daniela will eben unbedingt unverwechselbar bleiben, dabei wird sie durch das, was sie macht und wie sie macht, gerade so austauschbar. Sie könnte es doch auch als Kompliment auffassen, dass er so erregt von ihr ist, dass er sie beim Sex sogar mit seiner Ex verwechselt.
Unter dem Bett liegt ein gebrauchtes Kondom, das wohl ein anderes Paar, genauso wie sie, vor ihnen benutzt hat und über der Eingangstüre steht statt „Exit“ der Schriftzug „Sexit“. Dass sie beide auch im Drehbuch keinen Nachnamen haben, soll wohl ebenso zeigen, dass ihre Geschichte austauschbar ist und sie nur Metaphern für ihre Generation darstellen. „Du willst wissen wer ich bin und frägst mich nach meinem Sexualleben?“ antwortet Daniela auf Brunos Frage schnippisch und freimütig bekennt sie gleich drei ähnliche „one night stands“ und das obwohl sie schon fünf Jahre mit ihrem zukünftigen Ehemann zusammen ist. Bruno findet die Einladungen ihrer Hochzeit in ihrer Handtasche, als sie sich im Bad frisch macht und er ist ganz schön verblüfft, dass er hier quasi – wenn auch unabsichtlich – zum Ehebruch genötigt wurde.
Daniela instrumentalisiert ihn eigentlich auch nur, sie will gar nichts von ihm wissen und auch seine Geschichte über seinen verlorenen Bruder im Supermarkt, das Kindheitstrauma Brunos, nicht hören. Wahrscheinlich reduzieren Männer deswegen Frauen so gerne auf eine vulgäre Bezeichnung für ihr sekundäres Geschlechtsorgan, weil sie kapieren, dass sie nicht mehr interessant sind, sobald sie Gefühl zeigen. Doch dann liegen sie wieder nackt in einem großen Jacuzzi, man sieht viel Hintern von beiden, sie haben wieder Sex und doch sind es eigentlich die Gespräche, die die beiden führen, die einen zu einem wirklichen Voyeur machen. Sie glauben an nichts, aber an die Chemie, die entsteht wenn man sich das erste Mal sieht und daraufhin gleich im Bett landet. Ganz so wie Gott, nach der Methode „trial and error“, wie Daniela sich die Welt und ihren Glauben erklärt.
„Nein, aber ich täusche meine Ejakulation vor,“ antwortet Bruno grinsend auf die Frage nach dem Orgasmus-Vortäuschen. Allerdings macht er dann - nach dem dritten oder vierten Mal Sex mit Daniela - doch noch schlapp und begibt sich in den Kopfstand. Man müsse viele Wasser trinken und den Kopfstand machen, das rege die Hormone an und tatsächlich schlafen sie später noch ein weiteres Mal miteinander. Doch für Bruno ist es mehr als nur Sex. Daniela findet es besser eine Beziehung zu haben als gar keine, auch wenn es nur eine halbe ist. Daniela wird nämlich von ihrem zukünftigen Mann, den sie nach diesem Wochenende mit Bruno heiraten wird, öfters geschlagen. Doch was am Ende geschieht, bleibt auch für den Zuseher offen. Kann man sich nach so viel erlebter Intimität noch trennen? Nur wenn man Liebe mit Sex verwechselt. Oder eben umgekehrt.