„Der wackere Freund ist tot. Sein edler Geist schwang in die Wolken sich, der allzu früh der Erde Staub verschmähte“, trauert Roem über den Tod von Tybb nicht nur in der Comic-Adaption des Shakespeare Klassikers „Romeo und Julia“. Denn auch das Wiener Burgtheater www.burgtheater.at hat den Klassiker im Neuen Jahr wieder ein sein Repertoire aufgenommen und das mit zwei so jungen Talenten (Romeo: Daniel Sträßer, Julia: Yohanna Schwertfeger), dass man sich wirklich an die bis aufs Blut verfeindeten Familien - die Montagues und die Capulets erinnert fühlt: bei Shakespeare ist die Julia erst 14! Wer auch Buz Luhrmanns Adaptation des Shakespeare-Klassikers aus dem Jahre 1996 kennt, der wird bald wissen, worauf auch David Bösch, der Regisseur des Stückes am Burgtheater, hinaus will: die tragische Liebesgeschichte in die Jetztzeit zurückzuholen, den Staub der Jahrhunderte abschütteln und auch der heute von Facebook und Speed Dating verwöhnten Jugend zeigen, was wahre Gefühle wirklich bedeuten: Hingabe und Selbstaufgabe bis zum Tod, oder wie Roem es in Shakespeares wunderbarer Sprache ausdrückt: „Augen, blickt euer letztes! Arme, nehmt die letzte Umarmung! Und O Lippen, ihr, die Tore des Odems, siegelt mit rechtmäß`gem Kusse den ewigen Vertrag dem Wucherer Tod.“
Es dürstet nach Wasser statt Liebe
„Ich habe vor langer Zeit Romeo und Julia gelesen und auf der Bühne gesehen. Reicht mein Gedächtnis noch aus, um die Katastrophe am Ende zu verhindern?“ Lawrence, der überkonfessionelle Priester und Erzähler von Bilals Geschichte kennt den Klassiker zwar - so wie jeder andere auch - doch das heißt nicht, dass er dem Liebespaar in seiner Erzählung dasselbe Schicksal ersparen wird können. Oder doch? Sollen Julia & Roem ein ähnliches Schicksal erleiden wie einst die Protagonisten in Shakespeares Drama im Verona des frühen 15. Jahrhunderts? Das Setting von Bilals Graphic Novel ist allerdings ein gänzlich anderes: es spielt nicht im 15., sondern im 21. Jahrhundert, einem Jahrhundert in dem die Erde durch einen „Blutsturz“, einer Art atomaren Klima-Katastrophe, vernichtet wurde. Es gibt nur mehr wenige Überlebende auf der unwirtlichen Oberfläche des Planeten und das kostbarste Gut nachdem alle dürsten ist nicht die Liebe, sondern das Wasser.
„Tag, schein herein, und Leben flieh hinaus!“
„Es gibt nun einmal Orte, wo Himmel und Erde miteinander sprechen, ich weiß sogar, das wage ich zu behaupten, in welcher Sprache sie sich unterhalten. Wolken und Land tauschen ihre Materie aus, vermischen ihr Partikel, öffnen und recyceln ihre Speicherfragmente. Worte regnen unsichtbar herab, bilden Sätze, spielen mit den Schicksalen... Dieser Ort ist eine Mikrosphäre, die sich in Shakespeare artikuliert... Hier sprechen Himmel und Erde Shakespeare, das weiß ich, weil ich verrückt bin.“, so beschreibt Lawrence, der in einem Ferrari über die Wüsten der deserten Erdoberfläche fräst die traurige Lage des Planeten. Doch so lange es Shakespeare gibt, gibt es Dramen und selbst die trostloseste Zukunft gleicht bald einem Theatersaal, in dem sich das wahre Leben abspielt und Leidenschaft, Wut und Zorn sich entfachen. „Ich vernehme die Stimme der Amme“, haucht Julia nach ihrer ersten Liebesnacht, „sie verkündete, dass mein Herr Vater kommt. Tag, schein herein, und Leben flieh hinaus!“ Waren es diese Worte, die der Liebesgeschichte ihr ewiges Leben verliehen, die eine unsterbliche und ewige Nacht, in der sich die beiden ein einziges und letztes Male vor ihrem Tode begegneten? Ein One Night Stand mit verspätetem Orgasm Death Gimmick? Liegt das Drama von „Romeo & Julia“ denn in der Liebesnacht, oder in dem Tod in der Gruft, wo sie ewig vereint wohl heute noch liegen? In Bilals Adaptation wird das Ende verändert, so dass es noch Hoffnung gibt für die Liebe, gerade in einer durch den „Blutsturz“ völlig zerstörten Welt.
Romeo & Julia am Wiener Burgtheater
Auch das Wiener Burgtheater widmet sich im Neuen Jahr wieder Shakespeare, und wer – so wie Lawrence seine Erinnerung wieder einmal auffrischen möchte, um ähnliche traurige Schicksale in seiner nächsten Umgebung verhindern zu wissen, der pilgere doch zum Beispiel am 19.1. in die „Burg“, wie die Wiener ihr größtes Theater liebevoll nennen. Im Anschluss an diese Vorführung wird auch ein Publikumsgespräch stattfinden, das die Möglichkeit mit den Newcomern und Shooting Stars dieser Bühne ins Gespräch zu kommen. Weitere Termine im Neuen Jahr: Donnerstag, 19.01.2012 | Dienstag, 24.01.2012 | Dienstag, 07.02.2012 | Donnerstag, 09.02.2012 Donnerstag, 16.02.2012. Übrigens soll auch das Bühnenbild von Volker Hintermeier hier noch lobend erwähnt werden, in seiner Schlichtheit ebenso praktisch wie ästhetisch und am Ende futuristisch reduziert und sehr effektvoll. Der Swimming Pool in der Mitte der Bühne, der wohl oben genanntem Film entliehen sein dürfte, macht ganz schön was her. „Hier bau ich die ew`ge Ruhstatt mir und schüttle von dem lebensmüden Leibe das Joch feindseliger Gestirne“, Romeo/Roem trägt seine Julia in den Armen in seinen eigenen Tod. Ob Shakespeare, Luhrmann, Bösch oder Bilal, die Romeos und Julias Liebe wäret jedenfalls ewiglich…