Eigentlich ist sie mit ihrem Leben ganz zufrieden, die Schauspielerin Elisabeth. Ihr Beruf und ihr Leben mit dem Arzt Holger füllen sie aus. Doch eines Tages, plötzlich, wie aus heiterem Himmel, ist nach einem Anruf alles anders. Ein Mann bittet sie um ein Treffen und behauptet, ihr Bruder zu sein, von dessen Existenz sie bislang keine Ahnung hatte.
Zunächst hält Elisabeth den fremden Mann hin, um sich zu sortieren. Hatte sie ihre eigene Vergangenheit und vor allen Dingen ihren Vater lange erfolgreich verdrängt, beginnt jetzt die ganze Vergangenheit wie ein schwärende Wunde aufzubrechen. Erst recht, als sie den Bruder getroffen hat, der ihr Bilder von den Eltern aus dem Jahr 1972 gezeigt hat, da spürt sie, dass sie sich ihrer Vergangenheit stellen, ihr Leben anschauen muss
Sie beginnt dem Bruder einen Brief zu schreiben, in dem sie ihm vom Leben des Vaters und der Familie berichtet. Immer mehr spürt sie beim Schreiben (und auch der gebannte Leser beim Lesen), dass es eigentlich sie selbst ist, an die sie da schreibt.
Und sie macht sich auf eine schmerzhafte und lange Reise zu den äußeren und inneren Orten und Plätzen der Vergangenheit. Und sie spürt sie wieder, ihre Angst vor dem, Vater, seinem Alkoholismus.
Und wie das oft so ist mit ernsthafter Vergangenheitsbewältigung: Elisabeth bewegt sich fort von ihrem gegenwärtigen Leben, auch von ihrem Partner. Alles in ihr drängt weg, bricht auf – hinein in eine neue Zukunft für sich selbst.
Ein bewegender Roman über eine Frau, die sich ihrer Vergangenheit stellt und aus ihr neues Leben schöpft. Eine Geschichte, wie aus einer Vatersuche ein Selbstfindungsprozess wird. Meisterhaft erzählt.
Björn Bicker, Was wir erben, Kunstmann 2013, ISBN 978-3-88897-818-0
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-09-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.