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David Bezmozgis - Die freie Welt
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Bezmozgis, David - Die freie Welt bestellen
Bezmozgis, David:
Die freie Welt

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(Bücher frei Haus)

In einer von autobiographischen Reminiszenzen nicht freien Geschichte, erzählt der jüdische Autor David Bezmozgis von der jüdisch-lettischen Familie Krasnansky aus Riga, die 1978 aus der Sowjet ausreist, noch ohne im Westen ein genaues Ziel zu kennen. David Bezmozgis hat als damals achtjähriger Junge im Jahr 1980 Ähnliches erlebt, als er mit seiner Familie aus Lettland nach Kanada auswanderte.

Anders als viele Autoren, die den Schwerpunkt ihrer Auswanderungsgeschichten, seien sie nun von Juden erzählt oder von anderen, auf die schwierige Ankunft und die problematische Integration am neuen Zufluchtsort legen, geht es bei David Bezmozgis Roman um jene fünf Monate, die die Familie Kransnansky in ihrem Transitland Italien an einem Ort in der Nähe von Rom verbringt.

Weil die Cousine in Chicago, die doch versprochen hatte, für die Familie zu bürgen - eine notwendige Bedingung für die Einwanderung in die USA - von ihrem Versprechen nichts mehr wissen will, sitzt die Familie in Italien fest. Kanada, ihre zweite Option, zögert mit der Einreisebewilligung, weil der Großvater Samuel, ein dogmatischer Altkommunist, nicht gesund ist. Da bliebe noch Israel als Möglichkeit. Doch die kommt für die Familie, die als sowjettreue Bürger eher antizionistisch zu denken gelernt haben, obschon sie sich als Juden sehen, eher nicht in Frage.

Die Menschen dieser Familie haben ein zum Teil schon langes Leben hinter sich, das Bezmozgis in wechselnden Schlaglichtern beleuchtet. Die Großeltern, die beiden Söhne mit ihren Frauen und zwei Kinder haben Erniedrigendes erfahren, vor und vor allen Dingen während ihrer Ausreise aus der Sowjet, die insbesondere der Großvater nach wie vor glühend verehrt. Sie eint, dass sie alle, ob jung oder alt, eine ungewisse Zukunft haben. Und so finden sie sich, in einem Lager in Ostia bei Rom zusammen mit anderen jüdischen Menschen und Familien in einer Situation wieder, die sie zwar als vorläufig ansehen können, von der sie aber nicht wissen, wie lange sie dauern wird. Dieser Druck stellt neben dem für sie völlig unbekannten Glamour westlicher Kultur und des hemmungslosen Konsums die größte Herausforderung dar. Die alte Heimat haben sie hinter sich gelassen, eine neue noch nicht gefunden. Und so sind sie vor allen Dingen auf ihre innerfamiliäre Bindungskraft angewiesen.

Mit viel hintersinnigem und feinem Humor erzählt David Bezmozgis von dieser Familie in einer für sie schwierigen und stellenweise auch gefährlichen Übergangssituation, mit der die jüngeren Familienmitglieder anders umgehen, als die alten, dafür aber auch in ziemlich dubiose Situationen geraten.

Während sie in Italien auf die endgültige Weiterreise warten (sie wird sie schlussendlich nach Kanada bringen, wo Bezmozgis aber ihre Geschichte enden lässt) beschreibt der Autor in zahlreichen Rückblenden das Leben der Familienmitglieder in der Sowjet und zeichnet von ihr ein kleines Abbild des Landes, das sie gerade, unterschiedlich motiviert, verlassen haben.

David Bezmozgis gelingt es hervorragend, die tragischen und stellenweise regelrecht komischen Erlebnisse von ehemaligen jüdischen Sowjetbürgern einzufangen an einem Ort, an dem sie nicht bleiben können und wollen. Die teilweise melancholischen Erinnerungen an die alte Heimat mischen sich mit einer immer stärker werdenden Sehnsucht nach einem neuen Ort, wo man sich geborgen und vor allen Dingen sicher fühlen kann.

Bezmozgis Buch ist in einem Atemzug zu nennen mit Olga Grjasnowas Debütroman „Der Russe ist einer der Birken liebt“ , Hanser 2012, deren Figuren, obwohl sie hochintelligent und extrem beweglich sind, es nicht schaffen, ihre Lebenskraft und Kreativität umzusetzen, irgendwo anzukommen und Wurzeln zu schlagen.

David Bezmozgis, Die freie Welt, Kiepenheuer & Witsch 2012, ISBN 978-3-462-04402-7

[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-07-04)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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