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Ernst Beyeler - Henri Rousseau
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Beyeler, Ernst:
Henri Rousseau

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(Bücher frei Haus)

„Unsere Welt braucht Schmuggler, Schmuggler wie dich und mich. Zöllner hat sie genug“, soll Henri Rousseau (1844-1910) eines Nachmittags zu Franz Hohler gesagt haben und der Satz könnte nicht besser erfunden werden, denn tatsächlich war der Maler selbst lange Zeit Zöllner von Beruf und wurde lange Zeit dafür von seinen Künstlerkollegen belächelt. Zu Unrecht wie viele meinen, und wie sich nun auch das Publikum selbst auf der Henri Rousseau Ausstellung vom 7. Februar bis 9. Mai 2010 in Riehen/Basel in der Fondation Beyeler überzeugen kann. Denn der selbsternannte Schmuggler, der nicht nur den Dschungel, sondern auch seine Bewohner nach Europa gebracht hat, überzeugt schon mit dem auf Titel abgebildeten „Le lion, ayant faim, se jette sur l`antilope“.

Auf diesem wohl bekanntesten Gemälde Rousseaus sieht man nicht nur einen Löwen, der eine Antilope anfällt, sondern auch einen malerischen Dschungel, dessen Grün sich förmlich atmen lässt. In den Bäumen versteckt lauern eine Eule und ein Adler auf die Knochenreste, die der Löwe vielleicht übrig lässt, aus ihrem Mond rinnt bereits das Blut der Antilope, das sie am Rücken bereits angekratzt haben. Doch wer noch genauer hinschaut, wird im dunklen des Waldes verborgen auch noch einen schwarzen Panther entdecken, es ist also gar nicht so sicher, wer den Rest der Antilope verspeisen wird. Der Löwe hat jedenfalls Hunger und hält seine Beute fest in seinen Klauen. „Ist das nicht fantastisch“, fragt der Maler seine Nichte, draußen der Bahnhof Montparnasse, die moderne Zeit, „wo Lokomotiven pfeifen und rauchen, und hier drinnen bei uns Künstlern, ein Dschungel und eine Mausefalle mit einer blauen Katze“. Franz Hohler zitiert einen Monolog Rousseaus mit seiner Claude und man möchte sich so einen Bildnerischen Erzieher wie Rousseau für alle Kinder der Welt wünschen, denn er erklärt, was einzig zählt: die eigene Imagination.

„Das Exotische im Banalen“ heißt ein anderer Beitrag, verfasst vom Kurator Christopher Green. „Le Douanier“ (der Zöllner) wurde er genannt und der Kurator, der auch schon die Ausstellung von 2005 beaufsichtigte tut alles, um Rousseau aus dem Schatten eines Cezanne, oder Gauguin herauszuholen und ihn gleichberechtigt neben diese Künstler zu stellen. Ein „Schutzpatron und Maskottchen des Modernismus“ sei er gewesen, avantgardistisch, innovativ und geradezu kühn, ein „Maler des Exotischen“, ein Symbol der Avantgarde eben. Victor Segalen, ein Schriftsteller der damaligen Epoche, habe die Definition der Vorsilbe „Exo“ (also: außerhalb) gerade bei Rousseau verwirklicht gesehen, nämlich „alles, was `außerhalb´ unseres alltäglichen, gegenwärtigen Bewusstseins steht, alles was nicht in unsere `gewohnte geistige Stimmung´ passt“. „La sensation d`Exotisme“ sei nicht nur die Andersheit, sondern vor allem auch die Offenheit für Differenz, die Bereitschaft, die Welt als „autre“, das „Andere“ zu erfahren. „Alles neu zu beleben“ könnte das Motto des Exotismus sein und so könnte man Rousseau auch als Vorläufer der Surrealisten sehen, als Avantgarde der Avantgarde sozusagen. Den Vorwurf des „Naiven“ in Rousseaus Kunst hält Green das Argument des pragmatischen, gewollten Stilmittels entgegen. Im Banalen entdecke er die „difference“, schreibt derselbe und lobt die visuellen Reizmittel, die mit offensichtlichen Widersprüchlichkeiten und Plumpheiten, die Erwartungen an konventionelle Darstellungsweisen durchkreuze. „Rousseau belebt die Banalität neu, indem er die Kohärenz der Bildgegenstände zerstört und die Banalität auf diese Weise zu etwas `anderem´ macht, das `unsere gewohnte geistige Stimmung´ herausfordern kann.“ In diesem Sinne wieder ein wunderbares Bilderbuch für Erwachsene, das sowohl durch sein unkonventionelles Format (so groß wie eine Schallplatte) als auch seine Ausarbeitung (Farbdruck und großformatige Abbildungen) glänzt. Und manchmal kann dieser Glanz ganz schön dunkel und zum Fürchten sein. Auch für Erwachsene.

Ernst Beyeler/Sam Keller/Philippe Büttner (Herausgeber)
Henri Rousseau
Ausstellungskatalog der derzeit in Basel stattfindenden Rousseau-Ausstellung
auch auf Englisch erhältlich

2010
HatjeCantz Verlag
www.hatjecantz.de
120 Seiten 87 Abbildungen 82 davon farbig
ISBN: 978-3-90563278-1
40,90.-€

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2010-02-11)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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