Als sich Ende der fünfziger Jahre drei angehende Klaviervirtuosen bei dem bekannten Lehrer Horowitz am Salzburger Mozarteum zu einem Sommerkurs einschreiben, beginnt ein ruinöser Verlauf. Neben dem Ich-Erzähler, der bereits auf beachtliche Erfolge in dieser Zunft zurückblickt und seinem österreichischen Kollegen Wertheimer, der als Stern am Himmel der Klavierkunst gehandelt wird, taucht auch der amerikanisch-kanadische Virtuose Glenn Gould auf. Die drei befreunden sich, doch als die beiden zum ersten Mal Glenn Gould die Goldbergvariationen spielen hören, sind sie am Erdboden zerstört. Schlagartig wird ihnen bewusst, dass sie diese Perfektion und Klasse nie werden erreichen können. Schon bei der ersten Begegnung nennt Goldberg den aus einem reichen Hause stammenden und bis daher erfolgreichen Wertheimer einen Untergeher. Diese Bezeichnung ist das sich realisierende Omen für dessen weiteren Lebensweg.
Die Beziehung der drei bleibt bestehen und kommt ohne Gehässigkeiten aus, weil die Perfektion Goldbergs keinen Raum für kleinliche Ranküne lässt. Die beiden besuchen Goldberg noch in New York, als dieser bereits beschlossen hatte, nie wieder vor Publikum zu spielen und in einem abgelegenen Haus nur noch für sich selbst an der wahren Perfektion arbeitete. Intuitiv prognostizieren die beiden Freunde ihm das frühe Ende und so sind sie nicht erstaunt, als sie zurück in Österreich die Nachricht erreicht, dass der große Glenn Gold allein in seinem einsamen Haus mit 51 Jahren tot über seinem Steinway Flügel zusammen gebrochen ist.
Während der Ich-Erzähler bereits kurz nach der Zeit im Mozarteum das Klavierspielen aufgegeben hat, um sich dem Schreiben zu widmen, löst sich Wertheimer nur halbherzig, versucht sich aber auch in den Geisteswissenschaften und begibt sich in die unbefriedigende Sphäre des Dilettantentums, die ihn im Laufe der Jahre tödlich verzehrt. Frustriert, isoliert und desorientiert nimmt sich Wertheimer eineinhalb Jahrzehnte nach seiner Erkenntnis, das Maß Glenn Goulds nie erreichen zu können, in der Schweiz, wenige Meter vor dem Haus seiner Schwester, die vor seinem Despotismus geflüchtet ist, das Leben. Der Ich-Erzähler erscheint aus seinem neuen Wohnort Madrid, wo er in weitgehender Anonymität lebt, zu der tristen Beerdigung, die als Endpunkt eines langen Zerrüttungsprozesses zu werten ist.
Thomas Bernhard veröffentlichte 1983 diesen Roman, der als ein Affront gegen die Verselbständigung der technischen Virtuosität zu lesen ist. In einer Textur, die vom ersten bis zum letzten Buchstaben durch keine Absätze unterbrochen wird und durch einen Stil, der die neurasthenische Hatz nach einem nie erreichbaren Finale symbolisiert, gelang es Bernhard, die psychogene Eigendynamik des Prozesses der technischen Vollendung von seiner ruinösen Seite zu beleuchten. Die Kunst geht dabei ihres Sinnes verlustig und zerstört die Individuen, ob ihnen das Höchste gelingt oder nicht.
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2009-12-16)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.